Friedrich von Borries, Benjamin Kasten, "Stadt der Zukunft". 13,40 Euro / 208 Seiten. S. Fischer, 2019
Cover: Verlag

Jan, Bürgermeister von Kopenhagen, ist 134 Jahre alt, macht jeden Tag Yoga und strampelt mit dem Fahrrad ins Rathaus. Die 16-jährige Lisa Bowong, eine verblüffende Ähnlichkeit mit Greta Thunberg, wurde soeben zur Berliner Bürgermeisterin gelost.

Und Seoul wird von einem Roboter namens Chonk Chonk regiert, der wiederum an den kleinen R2D2 aus Star Wars erinnert und sich für, jawohl, universelle Lebensrechte starkmacht. So startet die Comicstrecke der zu Beginn recht leichtfüßigen Sachbuchfiktion des Architekten Friedrich von Borries und des Stadtplaners Benjamin Kasten.

Doch je weiter man in die Stadt der Zukunft, in die Globalopolis vordringt, je mehr Statistiken und Prognosen in Form von Tortendiagrammen man verschlungen hat, umso hungriger wird man auf die Rolle der neuen, weltumspannenden Megastadt, von der die beiden Autoren behaupten, dass sie sich zur zentralen politischen Institution entwickeln und den Nationalstaat als Identifikationsraum ablösen werde.

In Zukunft werde die Weltgemeinschaft nicht mehr von Staatschefs, sondern von Bürgermeistern organisiert. "Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, ob eine solche globale Stadt eine Utopie ist oder eine Dystopie, Beschreibung einer wünschenswerten Zukunft oder Schreckensszenario. Die Antwort ist einfach und deshalb kompliziert: Sie ist weder das eine noch das andere, sondern einfach eine Wahrscheinlichkeit."

Modal Split

Was wir heute unter dem Begriff "Munizipalismus" zusammen fassen, wird im Buch minutiös aufgedröselt und in kleine, notwendig zu setzende Schritte portioniert. Da ist die Rede von Modal Split, von öffentlichem Grünraum, von der durchschnittlichen Wohnfläche pro Kopf. Und dann lernt man, dass unser vielfach vielgelobtes Zukunftsmekka New York City doppelt so viel Müll produziert wie alle anderen größten Dreckspatzen auf diesem Planeten. Ist das die Stadt der Zukunft?

Nein. Aber – und das ist das Schöne an diesem Buch: Man wird sie finden. Irgendwie halt. Man muss sie sich aus den hier gebotenen Puzzlestücken und rund 50 Best-Practice-Beispielen zusammenreimen und selbst zusammenbauen.

"Und das können wir gut oder schlecht tun", schreiben die beiden Autoren am Ende, "umweltbewusst oder ressourcenvernichtend, menschenfreundlich oder menschenverachtend, anthropozentrisch oder pluriversal." Sachbuch mit Unterhaltungsgarantie. (Wojciech Czaja, 4.12.2019)