Wien – Pamela Rendi-Wagner hat recht behalten. Die SPÖ-Chefin ließ am Donnerstagabend Gerüchte, wonach sie noch in der Nacht zurücktreten werde, als Unsinn dementieren. Tatsächlich brach der Freitag mit ihr an der Parteispitze an.
Auch am Nachmittag teilte Rendi-Wagner nach einer parteiinternen Sitzung im "kleinen, vertrauten Kreis" mit: "Ich bin und bleibe Bundeschefin." Auf die Frage, ob sie noch genug Unterstützung in den eigenen Reihen habe, um die Partei führen zu können, sagte sie: "Das Gefühl habe ich." Alle Landesorganisationen hätten ihr ihre Unterstützung zugesagt. Und: "Klar ist, dass Intrigen und Gerüchte allen schaden."
"Angebote für Weiterbeschäftigungen"
Im Rahmen der Krisensitzung am Freitag habe man eine gemeinsame Analyse der Situation vorgenommen. Primäres Bemühen sei, dass man Mitarbeiter der Parteizentrale, die von etwaigen Kündigungen betroffen sind, unterstütze. Dafür müssten "Angebote für Weiterbeschäftigungen" in anderen Bereichen gefunden werden. Es sei eine "schwierige Zeit für die Mitarbeiter, aber auch für die Sozialdemokratie".
Schon zuvor hatte Rendi-Wagner eine schriftliche Stellungnahme übermittelt, in der sie sich "fest entschlossen" zeigte, weiterzumachen: "Ich werde die Verantwortung in dieser schwierigen Zeit nicht an den Nagel hängen", so Rendi-Wagner.
Die SPÖ müsse inhaltlich erneuert und finanziell auf eine stabile Basis gestellt werden, sagte sie. Dazu brauche man den Mut zur inhaltlichen Erneuerung und müsse Probleme gemeinsam lösen.
Sind am Vortag also nur immer wiederkehrende Gerüchte aufgewallt? Wer in die SPÖ hineinhört, bekommt ein anderes Bild. Insider berichten von intensiven Telefonaten zwischen den verschiedenen Machtzentren der Partei, um einen Umsturz zustande zu bringen. Gescheitert dürfte das Unterfangen letztlich an der ungelösten Nachfolgefrage sein.
Der Reihe nach: Die Mehrheit der Bundesländer drängt auf eine Ablöse Rendi-Wagners, doch Wien hatte andere Pläne. Die Genossen aus der Bundeshauptstadt hatten ursprünglich darauf gehofft, dass es Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch – einer der ihren – schafft, die Partei bis zur Wiener Landtagswahl im nächsten Jahr ruhig zu halten. Das hat sich als kolossale Fehleinschätzung herausgestellt, am Donnerstag war auch die Schmerzgrenze der Wiener Führung erreicht.
Grund war das misslungene Krisenmanagement von Rendi-Wagner und Deutsch bei der Sanierung der Partei: Just vor Weihnachten werden Mitarbeiter gekündigt, die Benachrichtigung dazu kam per unpersönlicher Mail. Der Zorn auf die Parteispitze ist bei der Belegschaft riesig. Freitagmittag fand ein Flashmob erboster Sozialdemokraten vor der Parteizentrale in der Löwelstraße statt.
Doch bei der Suche nach dem Nachfolger scheinen sich die Lager nicht einig zu sein. Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures hätte, sofern sie sich breitschlagen lässt, gerade in Wien viele Unterstützer, aber auch einige Gegner. Dies zeigt auch eine anonyme Nachricht aus einer internen Chatgruppe, der Vertraute rund um den Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig angehören sollen, die vom "Kurier" veröffentlicht wurde. In dieser werden hauptsächlich Bures und Deutsch für die Misere der Partei verantwortlich gemacht: Sie hätten eine "Clan-Rivalität, die zum Selbstzweck geworden ist".
Doskozil soll gegen Ablöse gewesen sein
Umgekehrt haben die Wiener an sich zwar wenig gegen den von den Ländern gepushten Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser als Übergangslösung einzuwenden, doch das würde den eigenen Einfluss schmälern. Ein temporärer Parteichef redet natürlich ein großes Wort mit, wer ihm als Dauerlösung nachfolgt – und da wird Kaiser zugetraut, die Weichen für den Steirer Max Lercher zu stellen, der als in Wien nicht besonders gut angeschrieben gilt. Überhaupt heißt es aus der Rathaus-SPÖ: Jene, die da am Donnerstag Druck auf Rendi-Wagner gemacht haben, hätten keinen tauglichen Plan gehabt.
Noch einen Einspruch hat es dem Vernehmen nach gegeben: Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil soll sich gegen eine Ablöse Rendi-Wagners vor "seiner" Landtagswahl im Jänner gestemmt haben.
Das mögliche Motiv dahinter? Trotz aller Dementis scheine Doskozil doch darauf zu spitzen, selbst SPÖ-Chef zu werden, lautet eine These – und das geht erst nach der Landtagswahl. Es gibt aber auch Stimmen in der Partei, die dem Burgenländer jede diesbezügliche Ambition absprechen.
Weil Wien und Burgenland nicht an Bord waren, sahen auch die anderen Landesparteien vom Sturz ab, heißt es aus SPÖ-Kreisen: Man wolle nicht wieder das Risiko eingehen, einen Chef zu küren, der dann nicht von allen Seiten Rückhalt hat. Denn dann wären die nächsten innerparteilichen Streitigkeiten vorprogrammiert. (Gerald John, red, 29.11.2019)