Als die Fluginsekten im Harz um ihr Leben rangen, lösten sich einige Springschwänze ab – andere klammern sich noch im Tod an ihnen fest.
Foto: N. Robin, C. D'Haese und P. Barden

Anlässlich der Entdeckung einer 44 Millionen Jahre alten Raupe, die in Bernstein konserviert wurde, sprach User joho78 von der Rubrik "Die wöchentlichen Bernsteinfunde" und ist damit der Wahrheit recht nahe gekommen. Formal existiert eine solche Rubrik vielleicht nicht, aber die Fundfrequenz würde es möglich machen. Jetzt haben wir Sie zwar bis kurz vor Ende der aktuellen Arbeitswoche zappeln lassen, doch wer dachte, da käme nichts mehr: Neinnein, hier ist termingerecht das jüngste Juwel.

Was Forscher da in der Dominikanischen Republik gefunden haben, ist das Ergebnis einer eigentlich vielversprechenden Taktik, die vor 16 Millionen Jahren aber tragisch gescheitert ist. Der Bernstein enthält eine geflügelte Termite und eine Ameise, an denen sich ein ganzer Haufen Springschwänze festklammert. Diese kleinen Gliederfüßer hatten offenbar vorgehabt, huckepack auf ihren flugfähigen Verwandten zu reisen, um so Distanzen zurückzulegen, die sie aus eigener Kraft niemals schaffen würden. Allerdings ist das Ganze schiefgegangen: Die Transportmittel sind mitsamt ihren Passagieren in Baumharz geraten und darin erstarrt.

Hintergrund

Obwohl die im Erdboden lebenden Springschwänze (Collembola) sechs Beine haben, sind sie keine Insekten, sondern gehören nur zu deren nächsten Verwandten. Ihren Namen haben die nur wenige Millimeter großen Winzlinge von der sogenannten Sprunggabel, einer zusätzlichen Gliedmaße am Hinterleib, mit der sie sich im Fall einer Bedrohung aus der Gefahrenzone katapultieren können. Für eine zielgerichtete Fortbewegung über lange Distanzen ist dieses System allerdings nicht geeignet.

Doch da haben die Springschwänze offenbar Abhilfe gefunden, berichtet das Team um Ninon Robin vom New Jersey Institute of Technology, das den Bernsteinfund im Fachjournal "BMC Evolutionary Biology" vorgestellt hat. Sie ordnen die 25 Springschwänze, die sie an den beiden Insekten im Bernstein gefunden haben, der heute noch existierenden Untergruppe der Symphypleona zu. Angehörige dieser Gruppe haben speziell geformte Antennen, die eigentlich dem Paarungsritual dienen. Ihre Form eignet sie aber offenbar auch gut dafür, sich an etwas festzuklammern. Die Springschwänze im Bernstein haben jedenfalls ihre Antennen um die Flügel und Beine von Termite und Ameise geschlungen.

Springschwänze im Allgemeinen und Symphypleona im Besonderen kommen heute auf allen Kontinenten vor. Robin vermutet, dass sie diese weltweite Verbreitung auch der Fähigkeit verdanken, sich die hohe Mobilität anderer Tiere zunutze zu machen und sich im Huckepackverfahren in neue Gebiete tragen zu lassen. (jdo, 29. 11. 2019)