ORF-Stiftungsräte sollten entlassen werden können, fordern Pressefreiheitsorganisationen.

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Wien – "Österreichs Medienfreiheit ist gefährdet." Zu diesem Befund kommen vier internationale Organisationen: "Die Politik der türkis-blauen Regierung hat in den letzten beiden Jahren gezeigt, dass das aktuelle Mediensystem politisch beeinflussbar ist", hieß es am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien, zu der das European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF), Reporter ohne Grenzen Österreich, das International Press Institute (IPI) und die European Federation of Journalists (EFJ) eingeladen hatten.

Die Organisationen stützen ihre Analyse auf zwölf Interviews, die sie in den letzten Tagen mit Politiker, Journalisten und Experten geführt hatten und destillieren daraus sechs Forderungen, die sie an die nächste Regierung richten. Dazu gehört etwa eine Reform des ORF, die in einer Entpolitisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gipfeln sollte.

Der Stiftungsrat solle "fachkundig und mehrheitlich parteiunabhängig besetzt und damit entpolitisiert werden", fordern die vier Organisationen: "Mitglieder des ORF-Stiftungsrates müssen konsequent entlassen werden können, wenn diese aus politischen Gründen ORF-Journalistinnen und Journalisten angreifen." Die Finanzierung solle auf keinen Fall über das Budget erfolgen, wie es etwa Vertreter der FPÖ wollen, sondern beispielsweise über eine Haushaltsabgabe.

Gegen Einschüchterungsversuche

Weitere Punkte sind etwa, dass Einschüchterungsversuche gegen Journalistinnen und Journalisten eingestellt werden müssen. Allein im ersten Jahr der Regierung Sebastian Kurz isei Österreich im internationalen Pressefreiheitsranking von Reporter ohne Grenzen um fünf Plätze auf Platz 16 abgerutscht. Der Grund seien auch Attacken auf Journalisten.

Die Verbände fordern noch ein "Informationsfreiheitsgesetz nach internationalen Standards", "journalistische Regierungskontrolle statt Message Control, eine Reform der Presseförderung und die Einbeziehung von Onlinemedien sowie eine Beschränkung der Regierungsinserate: "Die Verwendung von öffentlichen Geldern für Werbe-Inserate muss so beschränkt werden, dass diese nicht als Instrumente einer informellen Medienförderung verwendet werden können beziehungsweise politischen Gefälligkeitsdiensten, Einschüchterungen oder der Zensur von Medien dienen."

Die sechs Forderungen im Wortlaut:

Forderung 1: Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichern

Wir fordern eine Reform des ORF Gesetzes, durch die der ORF gestärkt und zukunftsfähig wird.

Die politische Beeinflussung des ORF muss beendet und abgewendet werden. Die enge strukturelle Verflechtung von Politik und öffentlich-rechtlichem Sender muss dafür aufgelöst werden. Führungspositionen in den Sendern sind nach professionellen und nicht nach politischen Kriterien zu besetzen. Der Stiftungsrat muss fachkundig und mehrheitlich parteiunabhängig besetzt und damit entpolitisiert werden. Er sollte auch die Zivilgesellschaft des Landes berücksichtigen und abbilden. Mitglieder des ORF-Stiftungsrates müssen konsequent entlassen werden können, wenn diese aus politischen Gründen ORF-Journalistinnen und Journalisten angreifen.

Die unabhängige Finanzierung des ORF muss sichergestellt werden, zum Beispiel über eine allgemeine Haushaltsabgabe. Auf keinen Fall darf die Budgetierung des ORF seitens des Finanzministeriums einer jedweden Regierung abgedeckt werden. Die Umstellung auf Staatsbudget-Finanzierung birgt die Gefahr der politischen Beeinflussung – der ORF könnte so langfristig vom öffentlich-rechtlichen zum Staatsmedium werden. Die Finanzierung muss ausreichen, um dem Programmauftrag zu entsprechen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer-Rechte müssen gewahrt werden.

Forderung 2: Einschüchterungsversuche gegen Journalistinnen und Journalisten unterlassen

Wir beobachten eine Veränderung des politischen Klimas, nicht nur in Österreich. Es kommt vermehrt zu Einschüchterungsversuchen in einer politischen Kultur der redaktionellen Einmischung, etwa durch strategische Androhungen von Klagen oder die Verwendung eines medienfeindlichen Vokabulars. Anfeindungen (online, offline, verbal, tätlich) gegenüber Journalistinnen und Journalisten sind zu unterlassen. Anfeindungen, Attacken und Diffamierungen gegen Journalistinnen und Journalisten müssen von jeder Bundesregierung und Parteispitzen konsequent verurteilt und nachverfolgt werden.

Forderung 3: Informationsfreiheitsgesetz nach internationalen Standards einführen

Österreich gehört innerhalb der EU zu den Schlusslichtern in Sachen Informationsfreiheit- und Transparenzgesetz. Das zu verabschiedende Informationsfreiheitsgesetz muss internationalen Standards genügen und durch entsprechenden politischen Willen in der Praxis auch umgesetzt werden. Das noch immer geltende "Amtsgeheimnis" nach §46 Beamten- und Dienstrechtsgesetz hat als Begründung für verweigerte Informationen, die im öffentlichen Interesse sind, längst ausgedient.

Forderung 4: Journalistische Regierungskontrolle statt "Message Control"!

Das Verhältnis von politischer PR und Politikberichterstattung darf nicht im Missverhältnis stehen. Statt verstärkter PR-Maßnahmen seitens der Parteien fordern wir einen freien journalistischen Zugang zu Informationen über die Regierungs- und Parlamentsarbeit sowie eine offene, transparente Kommunikationspolitik, um den demokratischen Diskurs zu fördern.

Forderung 5: Medienvielfalt muss gestärkt werden

Medienvielfalt muss gefördert und das entsprechende Umfeld dafür garantiert werden.

Die Verwendung von öffentlichen Geldern für Werbe-Inserate muss so beschränkt werden, dass diese nicht als Instrumente einer informellen Medienförderung verwendet werden können beziehungsweise politischen Gefälligkeitsdiensten, Einschüchterungen oder der Zensur von Medien dienen.

Die bestehende Presseförderung muss neu und zeitgemäß geordnet werden um pluralistischen und unabhängigen Journalismus in zu fördern. Das muss für alle Medienbereiche gelten.

Forderung 6: Klare Positionierung der Parteien für Pressefreiheit!

Wir fordern alle Parteien und die künftige Bundesregierung dazu auf, klar Stellung für die Medienfreiheit zu beziehen und diese als Priorität anzusehen. (red, 29.11.2019)