Die freie Journalistin Maude (Marion Fuchs) recherchiert in "Nyotaimori" über "Berufe der Zukunft" und erfährt dabei allerlei Haarsträubendes über die Welt.

Foto: Rupert Larl

Die eine lässt sich von ihrer Firma das Einfrieren der Eizellen bezahlen, damit sie erst die Karriere, dann den Kinderwunsch abhaken kann. Die andere hadert ganz grundsätzlich mit der Berufswahl: Womöglich hätte sie besser daran getan, ihre Gebärmutter an eine reiche Amerikanerin zu vermieten, anstatt für weniger als einen Euro Tageslohn in einer indischen Textilfabrik zu schuften?

Der Vergleich wirkt zynisch, ist letztendlich aber hoffnungslos real. Je globaler die Perspektive auf die schöne neue Arbeitswelt, desto größer eben auch die Fallhöhe zwischen den einzelnen Schicksalen. Die frankokanadische Autorin Sarah Berthiaume interessiert sich in Nyotaimori vor allem für die Objektivierung des weiblichen Körpers. Als "gut geölte Maschine" dient er dem Systemerhalt, als Serviertablett taugt er aber auch: Der Titel Nyotaimori bezeichnet die japanische Praxis, Sushi vom Körper einer nackten Frau herunterzuessen. Genau das Richtige für die Weihnachtsfeier einer hippen Werbeagentur: Bloß keinen Genierer vor den Kollegen zeigen!

Schweiß der Selbstoptimierung

Drang und Zwang zur Selbstoptimierung betreffen hier keineswegs nur das weibliche Personal, Regisseurin Susanne Schmelcher lässt bei der österreichischen Erstaufführung von Nyotaimori im K2 des Tiroler Landestheaters ordentlich Schweiß fließen, der Arbeitsplatz ist zugleich Fitnessclub und Freizeit hölle, riesige Barcodes dominieren den von Marion Hauer minimalistisch eingerichteten Bühnenraum. Hier recherchiert die freiberuflich tätige Journalistin Maude (schön überspannt: Marion Fuchs) für ein Dossier über "Berufe der Zukunft".

Es tun sich allerlei Abgründe auf, wenn Ber thiaume globale Lebens- und Arbeitswelten in einen surrealen Fiebertraum zusammenführt und dabei die Absurditäten des Systems demaskiert. Da wären zum Beispiel: ein BH, mit dem Frauen die Kontrolle über ihren Körper zurückgewinnen; der Wutanfall einer Arbeiterin in der Textilfabrik in Indien, die eben diesen "Empowerbra" herstellt; der Teilnehmer eines Selbsterniedrigungs-wettbewerbs in Texas, der seine Lippen seit mehr als 65 Stunden auf den Heckspoiler eines Toyota drückt; oder der Karosserien streichelnde Arbeiter in einer japanischen Autofabrik.

Ulrika Lasta und Stefan Riedl stellen in jeweils drei Rollen hochambitioniert den Großteil des Personals, sie sind die, die mitmachen, und diejenigen, die sich wehren, sie sind am Ende die Summe aller Fehler im System. Das provoziert auch allerlei Lacher – allerdings mit ziemlich bitterem Nachgeschmack. (Ivona Jelčić, 29.11.2019)