(Dezemberabend. Ein Espresso in Hernals. Hinter der Theke der Wirt, Zeitung lesend, davor, den Kopf auf den Unterarm gelegt, wie schlafend, der einzige Gast, ein etwa siebzigjähriger Mann. Ein halbvolles Glas Weißwein steht vor ihm und, ein Stück entfernt, ein Adventkranz mit einer brennenden Kerze. Pause.)

Advent, Advent
Foto: APA/BARBARA GINDL

DER MANN (hebt den Kopf, nimmt einen Schluck Wein. Dann, auf den Kranz zeigend:) Schön is’ das. Erinnert mich an früher. Wie der Horstl noch war. Hast ihn noch ’kennt, den Horstl? Der hat auch immer Lichterln an’zündt im Advent.

(Trinkt. Nach einer Pause:) Das war’n noch Winter früher, könnts ihr euch gar nimmer vorstellen. Mit der Irmi. Wie lang is’ jetzt tot, die Irmi, fuffzehn Jahr’? Das war’n noch Winter. Eiszapfen überall. Schnee meterweis’! Bist kaum bei der Tür raus und rein ’kommen. Die Straßenbahn is’ eing’stellt g’wesen wochenlang, nur alle halben Stund’ sind die Rentierschlitten g’fahren die Rosensteingass’n auf und ab. Klingelingeling. Sonst nix. Alles still. Nur draußen die Glockerln von die Schlitten, drinnen die Glockerln vom Spielautomaten, schön war das. Stundenlang sind wir g’standen an der Theke, die Irmi, der Karli, i… Hab’n Glühwein ’trunken … Weil der Horstl hat ja immer g’spart bei der Heizung …

(Trinkt aus, schiebt dem Wirt das Glas hin. Es wird nachgefüllt. Zieht das Glas wieder zu sich.) Manchmal, wenn eine b’sonders schöne Nacht war, sind wir hinaus gemeinsam, Sternderln schau’n. Der Irmi is’ immer kalt g’word’n nach ein paar Minuten, und dann hab’n wir s’ g’wärmt, der Karli und i. Da hat’s keine Eifersucht geb’n damals, verstehst, das hätt’ die Irmi nicht zu’lassen. Wie lang is’ jetzt tot, fuffzehn Jahr’? Und der Karli … Auch schon lang nimmer … Der Horstl …

(Trinkt. Nach einer Pause:) Schöne Zeiten … G’sungen hab’n wir …

(Singt:) "Advent, Advent, ein Kerzlein brennt"… So hab’n wir g’sungen.

(Singt:) "Dann brennen zwei, dann drei, dann vier, dann brennt Hernals, dann brennen wir."

(Lacht. Pause.) Schöne Zeiten.

(Lächelt verklärt. Trinkt sein Glas in einem Zug aus, schiebt es dem Wirt hin, legt, während nachgeschenkt wird, den Kopf auf den Unterarm und steht wieder wie schlafend bis zum Fallen des Vorhangs.)

(Antonio Fian, 29.11.2019)