Aus dem Grünen Gewölbe in Dresden gestohlenes Schmuckstück.

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Aus dem Grünen Gewölbe in Dresden gestohlene Kette.

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Aus dem Grünen Gewölbe in Dresden gestohlene Brosche.

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Frage: Welche Erkenntnisse gibt es zum Tathergang?

Antwort: In den frühen Morgenstunden wird ein Stromverteilerkasten in unmittelbarer Nähe des "Grünes Gewölbe" genannten Museums in Brand gesetzt und fällt die Straßenbeleuchtung aus. Die Ermittler sehen einen Zusammenhang mit dem anschließenden Einbruchsdiebstahl. Zwei der Täter verschaffen sich über ein Fenster im Erdgeschoß Zutritt zu den Räumlichkeiten: ein Gitter aus Schmiedeeisen wird durchtrennt und die Fensterscheibe eingeschlagen.

Zielgerichtet steuern die Einbrecher eine Vitrine im "Juwelenzimmer" an, deren Sicherheitsglas mit mehreren Axthieben zerstört wird. Sie entwenden einige wertvolle Schmuckstücke mit Diamanten und Brillanten. Um Spuren zu verwischen, entleeren die Diebe vor Ort einen Feuerlöscher. Sie flüchten über das Fenster ins Freie und in weiterer Folge mit einem Audi A6 Richtung einer Tiefgarage. Dort wird das Fahrzeug in Brand gesetzt. Im Wrack wird die Spurensicherung später Teile des Fenstergitters finden. Die Täter entkommen, nach Auswertung der Überwachungsvideos handelt es sich um vier Personen.

Frage: Waren die Sicherheitsmaßnahmen des Museums ausreichend?

Antwort: In der Kombination aus mechanischen, technischen, personellen und organisatorischen Maßnahmen scheint das Sicherheitskonzept in Dresden den Standards der Museumsbranche zu entsprechen. Angaben wurden aus dem Umfeld des Museums und den Ermittlern nur teils öffentlich. Wohl deshalb, da weitere Details Kriminellen helfen würden, Schwachstellen zu erkennen und künftige Taten zu planen. Als Mitarbeiter der Sicherheitszentrale die Täter auf dem Überwachungsvideo entdecken, informieren sie die Polizei mittels Notruf. Zeitgleich waren mehrere Alarme ausgelöst worden: beim Einbruch, durch den Bewegungsmelder und bei der Zerstörung der Vitrine. Eine bewaffnete Aufsicht war nicht vorgesehen, weshalb die Sicherheitskräfte nicht einschritten. Warum allerdings eine Videoüberwachung ohne Nachtsichtmodus gewählt wurde, ist nicht bekannt. In der Regel werden Überwachungskonzepte laufend überprüft und modernisiert bzw. in Absprache mit den Behörden an Gefährdungssituationen angepasst, die sich durch laufende Taten ergeben.

Frage: Was wurde gestohlen?

Antwort: Laut der deutschen Kulturstaatsministerin Monika Grütters handle es sich um Stücke, "die unsere Identität als Kulturnation ausmachen". Etwas nüchterner betrachtet geht es um Juwelengarnituren, die sich Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen im 18. Jahrhundert anfertigen ließ. Ein hochkarätiger "Staatsschatz", da für die Ensembles eine Vielzahl von Diamanten und anderen Edelsteinen verarbeitet wurden.

Entgegen ersten Annahmen, waren vom Diebstahl nur drei von zehn Garnituren betroffen, konkret jene mit Diamanten und Brillanten. Im Detail umfasst die Beute elf Objekte, Teilstücke von zwei weiteren sowie einige Rockknöpfe. Zu den gestohlenen Gegenständen gehörte etwa eine so genannte "Epaulette", eine Art Spange, die auf die Schulter geheftet wurde. Nach ihr wurde die Sonderkommission betitelt, in der 40 Kriminalisten an der Klärung des Falls arbeiten.

Frage: Wie könnten die Diebe ihre Beute verwerten?

Antwort: Auf dem freien Markt lassen sich diese Schmuckstücke nicht verkaufen, zumal Aufnahmen der Objekte veröffentlicht wurden. Selbst auf dem Schwarzmarkt sind sie nur wegen des Materialwertes absetzbar. Der kunsthistorische Wert der Juwelen dürfte für die Täter womöglich gar nicht von Belang gewesen sein. Allenfalls, wenn es um Erpressung von Lösegeld (Artnapping) gegangen wäre, wozu es bislang keinerlei Hinweise gibt. Die derzeit einzig naheliegende Option: Die Schmuckstücke werden "ausgeweidet", die Diamanten und Brillanten ausgebrochen und umgeschliffen, um verkauft oder als Zahlungsmittel zu dienen. So verliert sich auch die Spur zu ihrer Herkunft.

Frage: Wohin laufen die Ermittlungen?

Antwort: Aus dem Umfeld der Sonderkommission und der Staatsanwaltschaft verlauten dazu derzeit keine näheren Informationen. Ob aus ermittlungstaktischen Gründen oder mangels Ergebnissen aus der Fahndung, ist nicht abschätzbar. Von Anbeginn involviert waren jedenfalls die Behörden in Berlin. Das nährte Vermutungen: dass der Tathergang Parallelen zu anderen Taten aufwies oder der Verdacht auf eine potenzielle Tätergruppe fiel, etwa auf das dortige Clan-Millieu.

Auf internationaler Ebene könnten eventuell auch die "Pink Panthers" ins Visier geraten: Die weltweit tätige Gruppe besteht aus einem Netzwerk von etwa 150 Kriminellen, die sich für die Taten jeweils neu in Kleingruppen organisieren. Die Mitglieder stammen aus den Balkanstaaten und sind berüchtigt für ihr brutales Vorgehen. Zur Klärung des Dresdner Coups hat die Abteilung Organisierte Kriminalität der Staatsanwaltschaft Dresden mittlerweile die Ermittlungen übernommen. Für Hinweise, die zur Aufklärung und zur Ermittlung oder Ergreifung der Täter oder zum Auffinden des Diebesgutes führen, wurde eine Belohnung von 500.000 Euro ausgesetzt. (Olga Kronsteiner, 30.11.2019)