Wenn ein Apparat wie die SPÖ mit ihren Bastionen in Wiener Partei, Gewerkschaft, Arbeiterkammer und einigen Betrieben nicht 27 Leute unterbringt, dann kann sie eigentlich zusperren. So die Meinung eines ziemlich prominenten Funktionärs. Die Kündigungen in der Parteizentrale sind handwerklich katastrophal verlaufen, schuld daran war zunächst der ausführende Generalsekretär Christian Deutsch. Aber Pamela Rendi-Wagner ist die Chefin, und sie hat sich Deutsch von der Wiener Partei aufzwingen lassen.

Ob Rendi-Wagner nun geht oder bleibt – eine große Wende in der Situation der Sozialdemokratie ist nicht in Sicht, und daher wird man damit rechnen müssen, dass die österreichische Politik und Gesellschaft auf absehbare Zeit ohne merkbaren Einfluss sozialdemokratischen Denkens wird auskommen müssen. Und zwar auch dann, wenn die ganz große Katastrophe – in Wien bildet sich eine Mehrheit gegen die SPÖ – ausbleibt. Die Frage ist, was das für Österreich bedeutet.

SPÖ-Zentrale in Wien.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Die SPÖ hat bis vor nicht allzu langer Zeit eine dominierende Rolle gespielt – in der stark staatlich beeinflussten Wirtschaft, in den Institutionen des Sozialstaats, im Sicherheitsapparat, in der Kultur etc. Das führte zu beträchtlichem Unmut in der privaten Wirtschaft, die sich bürokratisch beengt fühlte, aber auch unter sehr vielen Arbeitnehmern, die eine Verbonzung der SPÖ sahen, vor allem aber ein Versagen in der "Ausländerfrage".

Das hat sich lange abgezeichnet, schon unter Viktor Klima, dann unter Alfred Gusenbauer, Werner Faymann, Christian Kern. Jetzt ist es so weit, die SPÖ ist weder "regierungs- noch oppositionsfähig" (Franz Schnabl, SPÖ-NÖ-Chef).

Symbolpolitik

Der Plan von Sebastian Kurz für eine "ordentliche Mitte-rechts-Politik" war es, unternehmerfreundliche Maßnahmen zu setzen, den Sozialstaat entsprechend um- und etwas abzubauen und eine schikanöse, aber populäre Symbolpolitik in Sachen "Ausländer" zu fahren. Die FPÖ machte dabei begeistert mit, zumal er ihr fahrlässigerweise die Sicherheitsressorts überließ. Das wird mit den Grünen so nicht gehen. Aber das, was Türkis als "Verschlankung" sieht und andere als Sozialabbau bzw. als Aushungern diverser Betreuungseinrichtungen (für Frauen, Ausländer), wird weiter versucht werden. Man kann ja auch diskutieren, ob nicht etliches davon legitim ist. Aber das gesellschaftspolitische Modell der türkisen ÖVP ist doch konservativer, als sich das manche Türkis-Wähler vorstellen. Ob die Grünen da so gegenhalten können, wie eine funktionsfähige SPÖ es täte, ist die Frage.

Ähnliches gilt für die Migration. Die SPÖ hat bisher keine Strategie für das Migrationsproblem zustande gebracht. Wenn sie daher nicht mehr viel in Österreich zu reden hat, wird das zunächst gar nicht besonders auffallen. Aber es wäre schon nicht schlecht, wenn etwa die (frühere?) Arbeiterpartei Lösungen für das Problem anbieten könnte, dass die Hälfte der Arbeiterklasse nicht wählen darf, weil sie nicht die Staatsbürgerschaft besitzt. Es ist soziales Gift, wenn junge Leute, die hier geboren wurden und ganz bestimmt nicht mehr "wieder zurückgehen" werden, ihr elementares Bürgerrecht nicht ausüben dürfen.

Vielleicht kommt die SPÖ doch wieder an eine gewisse Macht, nämlich dann, wenn Türkis und Grün nicht zusammenkommen und Kurz einen Partner braucht, der wohl nicht FPÖ heißen kann. Ob ihr das guttut, ist ungewiss. Aber ein Österreich ohne bedeutende Sozialdemokratie wird ziemlich schwer wiederzuerkennen sein. (Hans Rauscher, 29.11.2019)