Der Poker um die Casinos geht weiter: Öbag, Novomatic und Sazka spielen die Hauptrollen.

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Thomas Schmid rief, und alle kamen. Am 17. Oktober lud der neue Chef der Staatsholding Öbag in die neue Residenz im Penthouse des Volksbanken-Gebäudes in der Wiener Kolingasse. Dass der langjährige Generalsekretär im Finanzministerium seine Funktion anders anlegt als seine Vorgänger, lässt sich nicht nur an der neuen Adresse ablesen. Schmid setzte sich bei seinem ersten großen öffentlichen Auftritt – nicht zufällig knapp nach der Nationalratswahl – mithilfe hochkarätiger Gäste in Szene.

Bei der Konferenz zum Thema "Aufsichtsräte in der Praxis" begrüßte Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Teilnehmer, die Chefs der teilstaatlichen Unternehmen Post, Telekom, Casinos und OMV sprachen ebenso wie Heute-Herausgeberin Eva Dichand oder Wirtschaftsforscher Christoph Badelt. Auch bei den Moderatoren setzte man mit Nadja Bernhard (ORF) und Presse-Chefredakteur Rainer Nowak auf Glamour-Faktor. Öbag-Chef Schmid selbst eröffnete die Veranstaltung mit einem Beitrag zum Thema "Governance als Kernthema der Öbag".

Korruptionsvorwürfe

Governance heißt so viel wie Führungsgrundsätze, und diesbezüglich sieht sich der langjährige Macher im Beamtendienst gerade mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Seit diverse Chatprotokolle über die Bestellung von Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria in die Medien gelangt sind, steht ein Mann besonders im Fokus: Thomas Schmid.

Schmid wird Beitrag zur Bestechung vorgeworfen, er weist das zurück.
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Kann es sein, dass der Zielstrebige, der sich seiner Nähe zu ÖVP-Chef Sebastian Kurz rühmt, eine maßgebliche Rolle im angeblichen "FPÖ-Novomatic-Deal" spielte, den die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vermutet? Es tauchten jedenfalls zahlreiche Nachrichten des Tirolers auf, in denen er mit Novomatic-Chef Harald Neumann oder Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache innigst konversierte. Und dann war da noch das interne Papier des Finanzministeriums über Kasino- und Lotterienlizenzen, das Schmid fotografiert und der Novomatic zukommen haben lassen soll – vier Stunden, bevor ein Termin von Neumann und Novomatic-Eigentümer Johann Graf bei Ex-Finanzminister Hartwig Löger stattfand.

Rufe nach Abberufung

Die Vorgänge haben längst die Oppositionsparteien aufgescheucht, die Schmids Rücktritt fordern. SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer meint, es könne nicht sein, dass die Öbag als Drittelaktionär der Casinos die verlangte Ablöse Sidlos verhindere. Die Neos sehen das ähnlich. Finanzminister Eduard Müller machte bisher keine Anstalten in Richtung Abberufung Schmids. Neben der Staatsanwaltschaft, die ihm Beitrag zur Bestechung vorwirft, wird sich auch ein Untersuchungsausschuss mit dem Thema befassen. Schmid lässt die Vorwürfe über seinen Anwalt zurückweisen, und es gilt die Unschuldsvermutung. Der sonst so redselige Shootingstar ist mittlerweile auf Tauchstation gegangen.

Hartwig Löger soll nicht so recht über Schmids Schaffen im Bilde gewesen sein, heißt es.
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Das war nicht immer so. Mangels Mitgliedschaft in Karrierenetzwerken wie CV oder Junger ÖVP verfolgte der doppelte Magister (Politikwissenschaft, Jus) seine Karriere ehrgeizig, wie in seinem Umfeld verbreitet wird. Zur ÖVP soll er via Forum Alpbach gekommen sein, wo er bei der Postille "Alpbach News" mitarbeitete. Über die dort geknüpften Kontakte heuerte er nach der Gerichtspraxis 2004 als parlamentarischer Mitarbeiter beim EU-Abgeordneten Paul Rübig (ÖVP) an.

Von Schüssel bis Löger

Weitere Stationen waren Finanz- und Bildungsministerium (jeweils Presseabteilung), ehe er 2007 – nach verlorener Wahl – bei Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel im ÖVP-Parlamentsklub landete, von wo ihn der spätere ÖVP-Chef Michael Spindelegger zunächst ins Außenamt und dann ins Finanzministerium mitnahm. Als Spindeleggers Kabinettschef machte er sich unentbehrlich, sagen ÖVP-Granden – eine Zuschreibung, die wohl auch auf seinen vorerst letzten Chef, Finanzminister Hartwig Löger, zutrifft.

Ihm soll Schmid, ätzen kritische Geister im Ministerium, bei Bedarf die Wünsche aus Kanzleramt und ÖVP-Zentrale überbracht haben. Dies nicht notwendigerweise auf die feine englische Art, wie Beobachter sagen, obwohl sich Schmid selbst als Diplomat bezeichnet, nicht als Politiker.

Träumen von Norwegen

Im staatlichen Beteiligungsmanagement der Öbag stand freilich Letzteres klar im Vordergrund. Wer Schmids Öbag-Konzept studiert, wähnt sich in der roten Reichshälfte statt in der stets auf Privatisierung gebürsteten ÖVP. Ein Staatsfonds wie in Norwegen schwebte ihm vor, als er das Amt im März in der um Verbund, Casinos und Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) angereicherten Staatsholding übernahm.

Wenn Schmid ruft, kommt die Prominenz der Wirtschaftsszene.
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Von neuen Beteiligungen – mehr als hundert Unternehmen wurden großspurig als für die Republik strategisch wichtig identifiziert, sie will man vor allfälligem Ausverkauf schützen – wird geträumt. Woher das Geld kommen soll, ist völlig unklar. Allein heuer flossen 370 Millionen Euro an Dividenden via Öbag in den Bundeshaushalt statt in einen neuen Zukunftsfonds. "Das hat er lang nicht kapiert", sagt ein Wegbegleiter.

Viel Macht

Dennoch gilt das Öbag-Gesetz als das Meisterstück des unter Finanzminister Hans Jörg Schelling zum Generalsekretär Avancierten. Es räume der Staatsholding und ihrem Manager eine "weitreichende Machtposition" ein. Das war freilich erst unter Schellings Nachfolger Hartwig Löger möglich, der sich alles aus der Hand nehmen ließ, wie ein ÖVPler attestiert. "Wenn jemand auch nur ein wenig Ahnung hat, gibt er diese Rechte nicht aus der Hand."

Das Gesetz habe sich Schmid quasi selbst geschrieben, der habe seinen Machiavelli auswendig gelernt und im Finanzministerium eine unglaubliche Machtdynamik entwickelt. Niemand habe sich gewehrt, keiner habe sich gekümmert – obwohl in der Öbag Milliarden der Republik stecken. "Das war politischer Wahnsinn", meint ein Auskenner.

Kritik an Bestellung

In der Ausschreibung zum Öbag-Vorstandsposten setzte sich die Maßschneiderei fort: Nicht Erfahrung im operativen Geschäft von (börsennotierten) Industriekonzernen war gefragt, sondern "Verhandlungsführung mit politischen Stakeholdern" und "Kenntnisse der Entscheidungsabläufe der öffentlichen Hand als Aktionär". Nicht Topmanagement-, sondern "Führungserfahrung im öffentlichen Sektor", kritisieren die Neos. Wo der 43-Jährige die geforderten Erfahrungen in Aufsichtsratsführung erwarb, bleibt sein Geheimnis.

Schmid will die Öbag massiv aufwerten und neue Beteiligungen erwerben.
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Woher der neue Wind weht, war bei OMV und Verbund rasch spürbar. OMV-Präsident Peter Löscher, ehemals Siemens-Konzernchef in München, wurde ebenso rüde hinausgedrängt wie der von Ex-VP-Chef und -Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner an der Verbund-Aufsichtsratsspitze installierte frühere OMV-Chef Gerhard Roiss. In der Telekom war bereits zuvor Kurz-Intimus Thomas Arnoldner als Generaldirektor installiert worden.

Schneidiger A8

Resch ging er es auch in der Öbag selbst an. Noch vor Veröffentlichung der Ausschreibung ließ der überzeugte Single Schmid erkennen, dass ihm Status nicht gänzlich unwichtig ist. Eine Dienstlimousine unter Audi A8 durfte es keineswegs sein, dafür habe er im Finanzministerium alle Hebel in Bewegung gesetzt – obwohl Staatsmanagern laut Beschaffungsregime nur ein Dienstauto im Rang eines 5er-BMW zugestanden wird. Es sei ein Pool-Auto für mehrere Nutzer, spielt Schmids eigens engagierter Krisenkommunikator die Bedeutung des Leasingfahrzeugs herunter, das sei im Betrieb auch noch billiger als das kleinere Modell.

Kritiker holen noch weiter aus. Die ÖVP wolle aus der Öbag eine "Münzprägeanstalt" machen. Mit der Kontrolle über OMV, Verbund, Telekom, Post, Casinos oder BIG sichere sich die ÖVP Posten, Einfluss und Macht. Viel Feind’, viel Ehr’, heißt es. Ob Schmid das auch so sieht, lässt sich derzeit nicht eruieren. Jedenfalls gibt es wenige Personen, die in Unternehmens- und Industriekreisen derart konträr beurteilt werden. Einer, der anpackt und zielorientiert Erneuerung sucht, meinen die einen.

Gewichtige Unterstützer

"Das Problem bei der Öbag oder der Casinos Austria heißt nicht Schmid", sagt Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun. Er kennt Schmid als Kapitalvertreter im BIG-Aufsichtsrat und äußert sich angetan von dessen Zugang. Dieser sei ausschließlich von Interesse getragen, sowohl inhaltlich als auch in der Abwicklung. Die Neuaufstellung der Öbag sei sinnvoll und im Interesse der Steuerzahler. Der Fokus liege klar auf der Wahrung der Eigentümerinteressen. Die Konstruktion der Vorgängergesellschaft Öbib wäre auch schiefgegangen, wenn Jesus dort gesessen wäre, sagt Hesoun.

Zugutegehalten wird Schmid, bei der Wahl von Aufsichtsräten in den einzelnen Gesellschaften auf Profis und nicht auf Parteifreunde gesetzt zu haben. Gegner meinen hingegen, Schmid sei ein Karrierist und reiner Parteimann, der sich einen Versorgungsposten verschafft habe.

Gerhard Roiss zog sich wegen neuen politischen Einflusses aus dem Verbund-Aufsichtsrat zurück.
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Das Aufräumen im Finanzministerium förderte übrigens Bemerkenswertes zutage: Die 2016 eigens für die Öbib in der Wiener Himmelpfortgasse 13 angemietete Wohnung steht seit der Öbag-Absiedlung leer. Kosten pro Monat: 11.660 Euro für weitere sieben Jahre. Denn damals wurde ein Zehnjahresvertrag mit dem privaten Vermieter unterschrieben.

Die Öbib GmbH sollte schließlich ganz nah am Finanzministerium sitzen. Ein Nachmieter sei bereits in Aussicht, gibt die Öbag Entwarnung. Den brauche man, weil mit der Regierung auch die FMA-Reform geplatzt ist und die neue Finanzmarktaufsicht die Öbib-Büros nicht bezogen habe. Doppelte Miete zahle man trotzdem nicht: Die Öbag ist von ihrer 100-Prozent-Beteiligung BIG zwei Jahre mietfrei gestellt. (Andreas Schnauder, Luise Ungerboeck, Renate Graber, 30.11.2019)