BSB-Artificial-Intelligence-Geschäftsführer Raphael Biancale (links) und TIM-Projektleiter Alois Keplinger werfen noch einen Blick auf den smarten Kollisionsschutz, ehe sie in See stechen.

TIM

Linz – Man kann keine neuen Ozeane entdecken, hat man nicht den Mut, die Küste aus den Augen zu verlieren", befand einst der französische Schriftsteller André Gide. Den Mut, sich zumindest temporär vom Landrattendasein zu verabschieden, brachte Raphael Biancale spontan auf. 2013 ereilte den gebürtigen Franzosen, den die Liebe nach Österreich verschlug, ein Anruf seines Vaters. Dieser hegte den Plan, ein Segelschiff zu erwerben – und die Jungfernfahrt sollte gleich einmal rund um die Welt führen.

Segeln für Anfänger

Der Sohn zeigte sich von der väterlichen Abenteuerlust be geistert, und man bestieg an der französischen Küste einen Katamaran. Was an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben sollte: Segelerfahrung hatten Vater und Sohn Biancale zu diesem Zeitpunkt keine. Allein der Optimismus sollte sie über die Weltmeere tragen. Doch der Weg vom Optimisten hin zum Realisten ist auf rauer See oft ein kurzer. So war auch bei Raphael Biancale der romantische Aussteigertraum rasch ausgeträumt. Und doch erlebte der junge Ingenieur, der mit seiner Linzer Firma BSB Driveline Solutions in erster Linie Simulationsmodelle für Antriebsstrangkomponenten erstellt, unter widrigsten Umständen einen nachhaltigen Kreativschub. "Als ich mich in einer windigen, kalten, verregneten Nacht komplett durchgefroren von Deck in die Kajüte zurückschleppte, wurde mir bewusst, dass ich keine Ahnung habe, was in diesem Ozean treibt", erinnert sich Biancale im STANDARD-Gespräch. Womit die Idee für ein Assistenzsystem zur Vermeidung von Kollisionen geboren war.

Als der Techniker Monate später, zufrieden auch ohne Kugelumrundung – wieder festen Linzer Boden unter den Füßen hatte, war die Stunde für "Oscar" ge kommen. Unter Mithilfe der Technischen Universität Wien und mit Unterstützung des Techno logie- und Innovationsmanagements (TIM), finanziert von der Wirtschaftskammer und dem Land Oberösterreich, fertigte der Austro-Franzose sein "Optical System-based Collision Avoid ance for Racing". Vereinfacht gesagt besteht Oscar aus zwei Kamerasystemen, die am Bootsmasten montiert werden, und einem Computer samt Kollisionserkennungssoftware. Verbunden ist das System mit dem Autopiloten.

Die Kombination aus Farbbildkamera und Wärmebildkamera (Langwellen-Infrarotkamera) liefert sowohl bei schlechter Sicht als auch bei völliger Dunkelheit Daten. Und arbeitet damit deutlich genauer als jedes herkömm liche Radarsystem.

Biancale: "Bilder, auf denen Hindernisse zu erkennen sind, werden genau analysiert und sind die Grundlage für die Entwicklung des Algorithmus zur Datenanalyse." Unterstützt durch eine spezielle Annotierungssoftware werden etwa Baumstämme, Container, Wale, Delfine, Boote, Algenteppiche als Hindernisse markiert und gespeichert.

Aktuell wurde die markttaugliche Vorserie speziell für Rennsegler entwickelt, künftig sollen auch Hobbysegler Oscar mit an Bord nehmen können. Die Kosten von 25.000 Euro sind gut investiert – vor allem wenn man spontan eine Weltumseglung plant. (Markus Rohrhofer; 29.11. 2019)