Die einst lautesten Kritiker sind heute auffällig leise. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, der gleich nach der Kür von Pamela Rendi-Wagner zur Parteivorsitzenden mit wenig schmeichelhaften Tipps auffiel, erklärte am Wochenende seine Unterstützung für die angeschlagene Chefin. Sie kämpfe wie eine Löwin, personelle Konsequenzen seien derzeit nicht notwendig, sagte er in Zeitungsinterviews. Hans Peter Doskozil, der zuletzt die Regierungsfähigkeit der Bundespartei anzweifelte, will ebenso keinen Wechsel an der Spitze. Noch nicht.

Uwe Jun, Parteienforscher, Politikwissenschafter und Professor an der Universität Trier, analysiert die Krise der Sozialdemokratie in Europa.
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In der Vorwoche erschien das Schicksal der Parteivorsitzenden völlig ungewiss. Offenbar war quer durch Länder und Organisationen schon ein Pakt gegen Rendi-Wagner geschmiedet. Dass ausgerechnet sie darauf vergessen hatte, ihre Parteisteuer zu bezahlen, schien ihren Gegnern ein ausreichend starkes Druckmittel, um sie aus dem Amt zu kippen. Mit Rückenstärkung aus Wien und dem Burgenland dürfte die jüngste rote Führungskrise aber vorläufig überstanden sein, der Aufstand ist abgeblasen.

Vor der SPÖ-Zentrale protestiert die Basis am Freitag gegen den (Spar-)Kurs der Partei. Zugegen waren auch Julia Herr, Andreas Babler und Rudi Fußi
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Kündigungen via E-Mail

Die Wogen hatten sich zu einem Sturm verdichtet: Kurz nach der Wahlschlappe in der Steiermark und dem Rücktritt von Spitzenkandidat Michael Schickhofer gab die SPÖ bekannt, 27 Mitarbeiter zu kündigen. Die Betroffenen wurden nicht persönlich informiert, sondern per E-Mail verständigt. Ein Dokument ging an die Medien, das zeigte, dass Rendi-Wagner ihre Parteiabgabe – 13.000 Euro – schuldig geblieben war.

Alle wissen, wie es besser ginge. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser preschte schon vor dem Endergebnis der Steiermark-Wahl mit einem Positionspapier vor, der niederösterreichische Landesrat Franz Schnabl, erst von Rendi-Wagners Vorgänger Christian Kern in die Politik geholt, bewertet den sozialdemokratischen Zustand als Albtraum und fordert eine Neuausrichtung. Max Lercher, ehemals selbst Bundesgeschäftsführer und auch Berater der Bundespartei, will gar eine Neugründung der Partei.

Briefe an die Partei

Auch Kurzzeitkanzler Christian Kern meldete sich per Brief zu Wort. Er wolle von der jetzigen Führung nicht die Verantwortung für ihr Desaster zugeschoben bekommen.

Ein Brief wiederum von der oberösterreichischen SPÖ-Chefin Birgit Gerstorfer suggerierte, dass man die Parteiführung in Wien ohnedies schon abgeschrieben habe und die Dinge nun selbst in die Hand nehme.

Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler demonstrierte sogar höchstpersönlich und empört vor der Parteizentrale.

Foto: APA/Halada

Hin- und hergerissen war die Gewerkschaft. Wie die Parteiführung bei den Kündigungen vorgegangen ist, könnte als abschreckendes Beispiel für falsches Management gelten. Doch letztlich sprachen sich auch Vertreter der Gewerkschaft für einen Verbleib Rendi-Wagners an der Spitze aus.

Wer Gewicht hat

Jetzt, im Nachhinein, da die Revolution abgesagt ist, will es niemand gewesen sein. Da stehen alle sehr demonstrativ hinter Rendi-Wagner – oder sind verstummt. Letztendlich haben das Wort von Ludwig und von Dokozil in der Partei viel Gewicht. Ludwig hat offenbar verständlich erklärt, dass es nicht viel Sinn ergebe, die Parteivorsitzende abzusetzen, solange es niemanden gebe, auf den man sich als Nachfolger verständigen könne. Dem kann sich auch Doskozil anschließen, zumal er nicht ausschließen möchte, selbst dieser Nachfolger zu sein, allerdings noch nicht jetzt.

Das Burgenland, Niederösterreich und Wien boten mittlerweile Hilfe für die Gekündigten in der Löwelstraße an und wollen Mitarbeiter aus dem Bund in ihren Parteien unterbringen. Ob diese generöse Geste Unterstützung oder Demütigung der Parteivorsitzenden in Wien ist, bleibt Interpretationssache. (Marie-Theres Egyed, 2.12.2019)