Auf der London Bridge wurde in den Tagen nach der Tod der zwei Todesopfer gedacht. Bei dem Anschlag wurden auch drei Menschen verletzt.

Foto: AFP / Ben Sanstall

Der Terroranschlag von London hat Fokus und Ton des britischen Wahlkampfes verändert. Premierminister Boris Johnson versuchte die frühere Labour-Regierung dafür verantwortlich zu machen, dass der als islamistischer Terrorist verurteilte Attentäter Usman Khan, der am Freitag in einem Gebäude an der London Bridge zwei Menschen erstach, auf freiem Fuß war.

Die Opposition verwies auf Kürzungen bei Polizei und Justiz durch die seit einem Jahrzehnt regierenden Torys. Zudem habe ein unabhängiger Gutachter schon vor vier Jahren der Regierung die bessere Überwachung jihadistischer Gefangener sowie eine Reform der Bewährungshilfe empfohlen.

Festnahme am Sonntag

74 vergleichbare Fälle werden jetzt vom Justizministerium überprüft. Am Sonntagabend wurde ein Terrorverdächtiger festgenommen. Der Mann war wie Khan ein bereits verurteilter Terrorist, der auf Bewährung frei gekommen war. Seine Wohnung im mittelenglischen Stoke-on-Trent sei im Rahmen einer Überprüfung von Bewährungsauflagen durchsucht worden, teilte die Polizei mit.

Dabei habe sich der Mann verdächtig gemacht, terroristische Aktivitäten vorzubereiten. Es gebe aber keine Hinweise auf eine Verbindung zu dem Anschlag in London. Auch eine unmittelbare Gefahr für die Öffentlichkeit habe es nicht gegeben.

Tathergang am Freitag

Der 28-Jährige Khan sollte am Freitag an einer Tagung teilnehmen, bei der es um die Rehabilitierung ehemaliger Strafgefangener ging. Stattdessen schnallte sich der Islamist eine Fake-Selbstmordweste um, befestigte zwei Messer an seinen Handgelenken und ging im Foyer der Halle am Nordende von London Bridge auf mehrere Menschen los. Zwei junge Leute kamen ums Leben, drei weitere Opfer werden im Krankenhaus behandelt. Auf der Brücke wurde Khan von Tagungsteilnehmern, darunter einem verurteilten Mörder, sowie von unbeteiligten Passanten mit einem Feuerlöscher sowie dem Stoßzahn eines Narwals, der zur Zierde in der Tagungshalle hing, überwältigt. Das alarmierte Spezialkommando nahm die Selbstmordweste des Täters als Bedrohung ernst und erschoss Khan.

Bekannter Terrorist

Als Teenager war der junge Brite aus Stoke-on-Trent mit einigen Gesinnungsgenossen wegen geplanter Anschläge auf Rabbiner und Politiker sowie die Londoner Börse verhaftet und letztlich zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Im vergangenen Dezember wurde er vorzeitig entlassen. Seither hatte er sich an die Auflagen der Bewährungshilfe gehalten, trug die elektronische Fussfessel.

Während Oppositionsführer Jeremy Corbyn von "einem kompletten Desaster" sprach und eine umfangreiche Untersuchung forderte, führte Johnson ein 2008 erlassenes Gesetz der damaligen Regierung Gordon Browns (Labour) ins Feld. Dieses habe Khans Entlassung auf Bewährung praktisch erzwungen. Seine Regierung wolle hingegen längere Strafen für Terroristen einführen und die Möglichkeit zu vorzeitiger Entlassung auf Bewährung beenden. Den Gastkommentar Johnsons für eine Sonntagszeitung zierte die Überschrift: "Gebt mir eine Mehrheit, und ich werde Euch vor Terrorismus schützen."

In den sozialen Netzwerken wiesen Tausende auf eine Wortmeldung des Vaters eines der beiden Todesopfer hin. Sein 25-jähriger Sohn Jack habe stets die Partei der Schwachen ergriffen. "Er würde nicht wollen, dass sein Tod als Vorwand für drakonischere Strafen herhalten muss", schrieb David Merritt auf Twitter.

Ähnlichkeit mit Vorfall im Jahr 2017

Der Verstorbene gehörte zu den Mitorganisatoren der Tagung des Kriminologie-Instituts der Uni Cambridge. Auch die zweite Tote, deren Name bis Sonntagabend nicht veröffentlicht wurde, hatte dort ihren Abschluss gemacht.

Man solle lieber an die Hinterbliebenen der Toten denken als das Attentat für parteipolitische Zwecke zu nutzen, mahnte der Vizevorsitzende der Liberaldemokraten, Edward Davey, griff gleichzeitig aber den Premierminister scharf an: "Er hat wieder einmal die Leute in die Irre geführt." Labours justizpolitische Sprecherin Shami Chakrabarti warnte dringend vor raschen Gesetzesinitiativen vor dem Hintergrund einer Bluttat: "Da werden selten gute Gesetze draus." Ihre Partei werde mehr Geld in die Polizei, die Gefängnisse sowie die Bewährungshilfe stecken.

Die Situation weist unerfreuliche Ähnlichkeit auf mit den letzten Tagen des Wahlkampfes im Juni 2017 auf. Damals ermordeten Islamisten auf der Südseite der London Bridge acht Menschen. Zwei der drei Täter waren den Sicherheitsbehörden bekannt.

Die innere Sicherheit war bisher kaum Thema im Wahlkampf. Johnson will 20.000 zusätzliche Polizeibeamte rekrutieren. Die Opposition verweist darauf, dass dadurch gerade einmal jene Lücken gefüllt werden, die die Tory-Sparpolitik der vergangenen Jahre gerissen hat. (1.12.2019)