Einfamilienhäuser am Rande von Ortschaften in Niederösterreich, ein typisches Bild der landschaftlichen Zersiedelung.

Foto: Robert Newald

Wo immer man in Österreich hinblickt, merkt man die Folgen der Zersiedelung. Täglich wälzt sich eine Kolonne von Autofahrern aus ihren Einfamilienhäusern im Speckgürtel Richtung Stadtzentren. In den schönsten Bergregionen wie dem Salzburger Pinzgau werden riesige Chaletsiedlungen errichtet.

Fernab städtischer und dörflicher Zentren entstehen Streusiedlungen ohne Infrastruktur, aber mit massiver Bodenversiegelung. Das Thema Raumordnung ist zwar weitgehend Landessache, muss aber auch in die Klimapolitik des Bundes einfließen.

Zwar gibt es auf dem Papier rechtliche Kontrollmechanismen, aber sie funktionieren schlecht. Projekte findiger Immobilienentwickler werden von den Gemeinderäten durch Widmungsänderungen abgesegnet, den zur Aufsicht berufenen Ämtern der Landesregierung fehlt es oft an notwendigen Informationen, um mehr als eine grobe Prüfung anhand der gesetzlichen Vorgaben durchzuführen.

Durch beschleunigte Genehmigungsverfahren werden betroffene Anrainer auch baurechtlich überfahren. Sobald die Aufschließungsabgaben an die Gemeinden bezahlt sind, fahren die Bagger auf. Für den Preis einer Straßensanierung durch private Projektwerber verkaufen manche Bürgermeister die Zukunft ihrer Gemeinde.

Vorgaben einhalten

Diese Vorgangsweise ist gesetzwidrig. Die Gemeinderäte müssten vor einer Umwidmung eine Reihe von Verfahrensschritten einhalten: Pläne und Planänderungen müssen kundgemacht, Einsichts- und Auflagefristen eingehalten, Stellungnahmen abgewartet und behandelt werden, bevor die kommunalen Behörden einen Beschluss fassen.

Um das auch durchzusetzen, sind die Länder gefordert. Sie müssten nicht nur gesetzlich die Planungsziele grob und das Verfahren genau festlegen – was in den neun Raumordnungsgesetzen bundesländerspezifisch geregelt ist –, sondern auch die regionale Gestaltung des Raums durch Verordnungen vorgeben.

Denen müssen die Flächenwidmungs- und Bebauungspläne inhaltlich entsprechen. Vorgaben wie der Erhalt von Ortskernen, Verdichtung der Bauten – eventuell durch Bauklassen, die eine größere Geschoßanzahl im verbauten Gebiet erlauben – und das Verbot großflächiger Grünlandumwidmungen müssen auch faktisch umgesetzt werden. Derzeit ignorieren Gemeinden solche Vorgaben oft aus finanziellen Gründen.

Zu viele gefällte Bäume

Oftmals entstehen die Umweltsünden als Begleiterscheinung von Bauprojekten. So werden unnötigerweise zu viele Bäume gefällt. Größeren Rodungen steht zwar das Forstgesetz entgegen, manche Länder haben auch Baumschutzgesetze. Doch auch hier liegen Welten zwischen der Rechtslage und der Praxis einzelner Bundesländer.

Während in Wien der Magistrat zäh um jeden Baum kämpft, wird einige Kilometer weiter in Niederösterreich mangels Baumschutzgesetz oftmals eine ganze Schwarzkieferninsel für das Einfamilienprojekt eines Bauwerbers abgeholzt. Wer dieser Praxis tatenlos zusieht, macht sich mitschuldig am Entstehen von Hitzeinseln und dem CO2-Anstieg auch am Land.

Die Hauptlast für die rechtliche Überprüfung und Korrektur trägt derzeit der Verfassungsgerichtshof. Flächenwidmungs- und Bebauungspläne beruhen auf Verordnungen, Verwaltungsgerichte spielen erst in der späten Phase der Baugenehmigung eine Rolle. Versagt die Aufsichtsbehörde, kann die Verordnung nur beim VfGH angefochten werden.

Das Höchstgericht prüft die Verfahrensschritte zur Planerlassung und die inhaltliche Konvergenz mit übergeordneten Planungszielen nach. In einigen Fällen wurden Pläne der Gemeinden vom VfGH als gesetzwidrig aufgehoben – wegen mangelnder Grundlagenforschung, einer nicht stringenten Begründung von Änderungen oder der unterlassenen Abwägung von Anrainer- und Umweltinteressen. Dies traf etwa 2015 die oberösterreichische Gemeinde Waldneukirchen (VfSlg 19.980/2015).

Was der Bund tun kann

Doch solche Ex-post-Ahndunden kommen meist zu spät, um die Bodenversiegelung zu stoppen. Die künftige Bundesregierung sollte daher Wege finden, wie sie Länder und Gemeinden in die Pflicht nehmen kann. Der Bund selbst kann aus verfassungsrechtlichen Gründen nur jene Bereiche planerisch erfassen, die in seine Zuständigkeit fallen, also hochrangige Straßen, Eisenbahnen, Kraftwerke an großen Wasserwegen, Flughäfen oder militärische Einrichtungen.

Hingegen pochen die Gemeinden darauf, dass sie nach Art 118 B-VG das Recht haben, die örtliche Raumplanung vorzunehmen, die dann via Flächenwidmung und Bebauungsplänen zur Widmung jeder einzelnen Parzelle führt.

Aber gerade eine türkis-grüne Bundesregierung könnte, wenn sie zustande kommt, mit einer entschlossenen neue Raumplanungspolitik viele Sünden vermeiden. Diese entstehen nicht nur durch Großprojekte, sondern auch durch verfehlte Planung, Nachlässigkeit und eine Vielzahl an Gefälligkeiten zugunsten einflussreicher Bauwerber.

Solche Absprachen werden oftmals erst durch externes Eingreifen, etwa der Unesco, wirksam durchbrochen. Daher müsste die Kontrolle im Vorfeld erweitert werden, sollten bei größeren Projekten frühzeitig die Rechnungshöfe einschreiten und Raumplanungsexperten beigezogen werden. Damit könnte man zahlreiche Konflikte versachlichen und die so schädliche Zersiedelung bremsen. (Gerhard Strejcek, 2.12.2019)