Wenn Affen schreien, vermitteln sie ihren Artgenossen eine Vielzahl an Informationen. Unterschiedliche Rufe können Auskunft darüber geben, wohin sie gehen oder ob sie Nahrung gefunden haben. Eine der wichtigsten Botschaften ist aber die Warnung vor Gefahren: Wurde ein Leopard oder Adler gesichtet, kann ein Ruf nach Verstärkung helfen, Raubtiere zu verwirren oder zu bekämpfen. Diese Rufe sind daher nicht nur für andere Gruppenmitglieder nützlich, sondern auch für den Rufer selbst.

Besorgter Blick: Dieses Mangabenmännchen ist gerade einer (vermeintlichen) Schlange begegnet.
Foto: Alex Mielke/MPI Leipzig

Wenn sich ein gefährlicher Kontrahent aber nicht gezielt nähert, sieht die Sache anders aus: Viele Schlangen, insbesondere Vipern, scheinen Affen nicht aktiv zu jagen. Sie beißen und töten die Primaten aber, wenn ihnen diese zu Nahe kommen und unachtsam auf sie treten. Sobald ein Affe weiß, wo sich die Schlange befindet, ist er selbst normalerweise nicht mehr in Gefahr. Ein lauter Ruf, um Artgenossen über die Anwesenheit der Schlange zu informieren, kostet Zeit und setzt den Rufer möglicherweise anderen Gefahren aus. Daher stoßen nicht alle Affen in dieser Situation einen Warnruf aus. Warum aber rufen einige Tiere, wenn sie eine Bedrohung erkennen, die für sich selbst nicht mehr gefährlich ist?

Forscher basteln Fake-Schlangen

Das haben Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig nun an Rußmangaben genauer beobachtet. Sie untersuchten Mangaben im Tai-Nationalpark in der Elfenbeinküste, die in Gruppen von oft mehr als 100 Tieren zusammenleben. Obwohl Mangaben im Wald häufig auf Giftschlangen stoßen, lassen sich diese Begegnungen nicht vorhersehen und schwer filmen. Daher haben die Forscher realistische Schlangenmodelle aus Stoff und Papiermaché angefertigt und an Stellen im Wald versteckt, an denen die Mangaben vorbeikommen.

Das Team filmte dann die Reaktionen aller Affen, die die Schlange sichteten und dokumentierten, welcher Affe wann und wie oft einen Warnruf ausgestoßen hat. So wollten die Forscher herausfinden, welche Motivation die Tiere zum Rufen brachte: Schrien sie aus Angst vor der Schlange oder um ihre Furchtlosigkeit zu zeigen? Wollten sie Familie und Freunde warnen oder Informationen an die gesamte Gruppe weitergeben?

Fake-Schlange im Unterholz: Mit solchen Attrappen untersuchten die Wissenschafter, wie Rußmangaben auf Schlangen reagieren.
Foto: Alex Mielke/MPI Leipzig

"Was uns sowohl bei natürlichen Schlangenbegegnungen als auch bei unseren Experimenten überraschte, war, wie verschieden Individuen auf die Bedrohung reagierten", Alex Mielke, Erstautor der Studie im Fachblatt "Animal Behaviour". "Die meisten zeigten kaum eine Reaktion, es sei denn, sie wären beinahe auf die Schlange getreten. In der Regel riefen sie ein- oder zweimal und gingen dann weiter. Andererseits gab es aber auch einige wenige Tiere, die jedes Mal einen Warnruf ausstießen, wenn sie eine Schlange sahen", so der Wissenschafter.

Effektives Warnsystem

Die Auswertung aller Experimente ergab aber ein klares Muster: Mangaben riefen nicht speziell, um Verwandte, Freunde oder unwissende Gruppenmitglieder zu warnen. Sie riefen dann, wenn sich nur wenige andere Affen in der Nähe der Schlange aufhielten oder wenn eine Weile niemand gerufen hatte. So teilten sie den Aufenthaltsort der Schlange effektiv mit, wenn die Gefahr bestand, dass die Information sonst verloren gehen könnte. "Es entsteht ein System, wo niemand zu viel investieren muss – ein oder zwei Rufe reichen aus, bevor es weitergeht – die Gefahr aber regelmäßig neu verkündet und so für nachfolgende Tiere beseitigt wird", sagte Mielke.

Die Ergebnisse würden zeigen, wie das Sozialgefüge einer Spezies die Art und Weise verändert, wie Informationen übermittelt werden müssen: Mangaben leben in großen Gruppen zusammen, bewegen sich aber gemeinsam von einem Ort zum anderen. So kann ein Tier im vorderen Teil der "Reisegruppe", das eine Schlange sieht und einen Warnruf ausstößt, wahrscheinlich davon ausgehen, dass seine Schwester im hinteren Teil der "Reisegruppe" diese Botschaft auch erhält. Die Informationen werden von den sich zwischen ihnen befindlichen Tieren erneut verkündet. Bei Schimpansen hingegen teilt sich die Gruppe in Untergruppen auf. Dasselbe Forscherteam beobachtete, dass einzelne Schimpansen in der Nähe der Schlange warteten um nachkommende Gruppenmitglieder, die von der Gefahr nichts wussten, zu informieren.

Das Verhalten der Mangaben zeige auch, wie sich Kooperation auf Gruppenebene entwickelt haben könnte, so die Wissenschafter. Auch wenn die Affen Verwandte und Verbündete nicht einzeln warnen, sondern diese Informationen an den Rest der Gruppe weitergeben, können sie davon ausgehen, dass andere den gleichen Beitrag leisten. Alle Gruppenmitglieder (einschließlich der eigenen Familie) werden informiert, und es wird somit weniger wahrscheinlich, dass sie von der Schlange angegriffen werden. Ähnliche Mechanismen könnten auch in anderen Situationen wichtig sein, in denen Primaten zusammenarbeiten, um ein Ziel zu erreichen. (red, 9.12.2019)