"Die Menschen sterben, die Dinge bleiben", sagt Filmemacherin Anja Salomonowitz. Im Schweizer Künstler Daniel Spoerri (oben) hat sie einen Verbündeten gefunden.

Stadtkino

Wie kommt man von einer kaputten Knoblauchpresse auf den eigenen Tod?" ist eine Frage, zu deren Beantwortung keine großen Gedankensprünge notwendig sind. Nicht, wenn die Filmemacherin Anja Salomonowitz und der in Wien lebende Schweizer Künstler Daniel Spoerri in einen filmischen Dialog treten, bei dem nicht nur Gedanken ausgetauscht werden, sondern auch Dinge.

Spoerris Idee vom Leben als ewigem Kreislauf entsprechend, folgt auch Dieser Film ist ein Geschenk einer zirkulären Bewegung. Zum Beispiel liegen jetzt auf dem Ateliertisch von Spoerri, der von der statischen Kamera zu klaren Tableaus gerahmt wird, die schwarzen Kunststoffkochlöffel des verstorbenen Vaters der Filmemacherin neben Teesieben, Schöpfkellen, Holzlöffeln und anderem Küchenkram – im Laufe des Films wird aus dem Sammelsurium ein Bild entstehen. "Die Menschen sterben, die Dinge bleiben", sagt Salomonowitz mit ihrer charismatischen "Nebenbei"-Stimme aus dem Off.

Passenderweise steht am Anfang der von Tony Morgan nach einer Idee von Spoerri realisierte Kurzfilm Resurrection (1969) – eine Arbeit, die die Stoffwechsel- und Verdauungskette bis zu Menschen- und Kuhscheiße rückwärts erzählt.

Neuer "Unsinn"

Zu Beginn der 1960er-Jahre zählte Daniel Spoerri neben u. a. Jean Tinguely, Yves Klein und Niki de Saint Phalle zu den Nouveaux Réalistes, auch gilt er als Erfinder der Eat-Art. Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine Fallenbilder (Tableaux piège), auf Tischplatten fixierte Überreste vorgefundener Situationen wie der Frühstückstisch seiner damaligen Freundin Kichka. Später ging er dazu über, Gegenstände auf Flohmärkten einzusammeln und sie zu Assemblagen weiterzuverarbeiten. Die Dinge gerieten in einen neuen Zusammenhang, sie bekamen einen neuen Sinn – oder "Unsinn".

Auch Salomonowitz arbeitet mit Neukonfigurationen und Transformationen – etwa wenn sie in Dokumentarfilmen wie Kurz davor ist es passiert (2006) reale Erfahrungen durch künstlerische Verfremdungen verdichtet. In Dieser Film ist ein Geschenk sind die Darstellungsbrüche freilich verspielter und wärmer – etwa wenn sie ihren Sohn Oskar immer wieder Erzählungen und Handlungen des Künstlers nachspielen lässt. Dabei geht es weniger darum, das Genre des Künstlerporträts gegen den Strich zu bürsten; vielmehr wird im kindlichen Reenactment "der Spoerri" an die Gegenwart weitergegeben und damit ein Stück weit bewahrt. Sollte Salomonowitz’ Film tatsächlich ein "Fallenfilm" sein, dann ist es ein komplett unmusealer. Seine Elemente bleiben beweglich und leicht, mit Klebstoff müssen sie, anders als die Assemblageobjekte Spoerris, nicht fixiert werden.

Erinnerungs- als Trauerarbeit

Zwei essenzielle Tätigkeiten stehen in Dieser Film ist ein Geschenk nebeneinander, oft greifen sie auch ineinander: zum einen das Anordnen von Gegenständen (mitunter in Zusammenarbeit mit Oskar), zum anderen die Erinnerungsarbeit, die sich zumindest momenthaft auch als Trauerarbeit zeigt. Spoerri, eigentlich Daniel Feinstein und Sohn eines rumänischen Juden, ist knapp am Vernichtungsterror "vorbeigeschrammt".

Als er zehn Jahre alt ist, verschwindet der Vater, erst viel später erfährt er, dass er von den rumänischen Faschisten mit einem Todeszug deportiert wurde. Auf ganz andere Weise schwirrt Salomonowitz’ Vater durch den Film. Ein rotes Porzellanherz, das sie in der Wohnung des Verstorbenen fand und nach einem versäumten Abschiedsritual an der Donau Spoerri weiterschenkte, kam unerwartet in einem Kunstwerk verarbeitet wieder zu ihr zurück.

Der Film ist sozusagen ein Gegengeschenk. Und wie alle Geschenke in diesem schönen, manchmal heiteren und manchmal auch ein wenig traurigen Film kommt es von Herzen. (Esther Buss, 4.12.2019)