Johanna Brdicka trainiert täglich. Im Sommer ist sie gestürzt, jetzt übt sie, um bald wieder ihren Hobbys nachgehen zu können.

Foto: Regine Hendrich

Dass sie heute wieder alleine in ihrer Wohnung in einem Pensionistenheim in Währing wohnen kann, ist nicht selbstverständlich.

Foto: Regine Hendrich

Der Koffer ist fertiggepackt. Am nächsten Tag will Johanna Brdicka auf Urlaub an den Attersee fahren. Doch dann übersieht die fast 86-Jährige beim Schuster zwei Stufen und bricht sich den Oberschenkelhalsknochen. Zwei Wochen muss sie im Allgemeinen Krankenhaus in Wien verbringen statt den Spätsommer im Salzkammergut zu genießen. "Den Koffer habe ich für das Krankenhaus genommen", sagt Brdicka und lacht.

Dass sie heute wieder alleine in ihrer Wohnung im Pensionistenheim in Währing wohnen kann und so viel Lebensfreude versprüht, ist nicht selbstverständlich. Ein längerer Spitalsaufenthalt bedeutet für ältere Menschen oft den Verlust an Selbstständigkeit. Müssen sie lange im Bett liegen, bauen sich Muskeln ab. Sind sie gestürzt, haben sie Angst, wieder zu fallen.

Drei Stürze in einem Jahr

Diese Ängste kennt auch Frau Brdicka. Es ist nicht ihr erster Sturz in diesem Jahr, sondern ihr dritter. Einmal biss sie sich in die Lippe, das verlief vergleichsweise glimpflich. Das andere Mal stolperte sie über den Teppich und brach sich Schambein, Becken und Steißbein. Drei Monate konnte sie damals ihr Bett nicht verlassen. Trotzdem habe sie sich selbst gewaschen, sagt sie stolz und ergänzt: "Ich mache alles selber."

Im Krankenhaus erfährt Frau Brdicka, dass sie nicht nur zu Hause an ihrer Genesung arbeiten kann, sondern auch Anspruch auf eine Remobilisierung hat. In zwei der 30 Wiener Pensionistenwohnhäuser gibt es Remobilisierungsstationen. Sie stehen Bewohnern der Pensionistenwohnhäuser und Klienten, die vom Fonds Soziales Wien betreut werden, zur Verfügung. Auch der Wiener Krankenanstaltenverbund und Spitalsträger in den Bundesländern wollen verstärkt ältere Patienten für die Selbstständigkeit trainieren. Pflege muss keine Einbahnstraße sein.

Ins gewohnte Leben zurück

Frau Brdicka übersiedelt für drei Wochen in das Haus Wieden. Jeder Tag ist mit Therapien und Arztbesuchen durchgetaktet. Sobald ein Patient auf einer Remobilisierungsstation aufgenommen wird, folgt eine genaue Anamnese aus mehreren Blickwinkeln. Welche pflegerischen Bedürfnisse es gibt, welche Therapien notwendig sind und wie es um die psychische Verfassung steht, sind die zentralen Fragen.

Brigitte Stern-Grilc leitet den therapeutischen Bereich der Remobilisierung im Haus Wieden. Maximal 92 Tage kann ein Patient auf der Station behandelt werden. "Er formuliert sein Wunschziel, was er wieder erreichen will", sagt die Physiotherapeutin. Ihr interdisziplinäres Team unterstütze die Patienten.

Traumatisches Erlebnis

Für Frau Brdicka ist klar, was sie wieder können will. Sie will bald wieder an ihrem gewohnten Leben teilnehmen, mit ihren Freundinnen kegeln, schwimmen oder tanzen gehen. Der Bruch soll ihr nicht länger im Weg stehen.

Ein Sturz oder auch mehrmaliges Hinfallen seien die häufigsten Zuweisungsgründe für ihre Station, sagt Stern-Grilc. "Für viele Patienten ist ein Sturz ein traumatisches Erlebnis." Sie fühlen sich hilflos, haben Angst, nicht mehr alleine zurechtzukommen oder gar ein Pflegefall zu werden. Deswegen werde auch psychologische Hilfe angeboten. Doch weil die Patienten älter sind, sind die vielen Therapien für sie nicht immer leicht zu bewältigen: "Die Therapie verlangt von Patienten viel Energie und einen starken Willen", für manche sei das zu anstrengend. Dann müsse der Plan angepasst werden und die Dauer der Therapie langsam gesteigert. "Wir müssen uns nach dem Tempo der Patienten richten."

Frau Brdicka ist wieder zurück in ihrer Wohnung und darüber glücklich. Ihr fehlen sogar die täglichen Therapien, sie will ja bald wieder kegeln können. (Marie-Theres Egyed, 3.12.2019)