Die österreichweite Angleichung des Kostenersatzes für Heilbehelfe – etwa bei Rollstühlen – war auch schon vor der Kassenfusion möglich.

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Wenn es eine österreichweit einheitliche Krankenkasse für rund 7,2 Millionen Versicherte gibt, muss es für alle Versicherten einen einheitlichen Leistungskatalog geben. Was logisch klingt, wird es auch nach der Zusammenlegung der neun Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse ÖGK mit 1. Jänner vorerst nicht geben. Das Thema Harmonisierung ist im sogenannten Überleitungsausschuss heftig umstritten.

Bis heute seien alle Anträge der sozialdemokratischen Gewerkschafter im Überleitungsausschuss, die auf eine Harmonisierung der Leistungen nach oben abzielten – also auf das höchste Level, das eine der neun fusionierten Länderkassen angeboten hatte –, immer wieder mit der Mehrheit der Dienstgeber und des ÖVP-Arbeiter und Angestelltenbundes vertagt worden, sagt Andreas Huss. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses.

Unternehmermehrheit

Zuletzt sei ein Antrag am 19. November vertagt worden, nach welchem die für den Versicherten günstigste vertragliche Vereinbarung zu gelten habe und somit die höchstmögliche Kostenerstattung zu gewähren sei. "Zum dritten Mal", sagt Huss. Kostenvolumen im Jahr: 14 Millionen Euro. Bau-Holz-Gewerkschafter Huss sieht hinter der nicht erfolgten Angleichung der Satzungen – also des Leistungsportfolios der Kassen – eine grundsätzliche strukturelle Schieflage der neuen ÖGK: "Die Unternehmervertreter im Ausschuss, die selbst nicht einmal über die ÖGK versichert sind, nützen ihre Mehrheit, um über die Beiträge der Dienstnehmer zu entscheiden."

Eine Argumentation, die ziemlich genau der aktuell beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Klage gegen die Sozialversicherungsreform entspricht. In dieser Klage wird von einem Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Selbstverwaltung ausgegangen.

Rollstuhl und Blutzuckertest

Damit würde man den Dienstnehmern höhere Kostenersatzzahlungen vorenthalten, obwohl Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ausdrücklich eine "gleiche Leistung für gleiche Beiträge sowie eine Leistungsharmonisierung nach oben" zugesagt habe.

Dass eine Leistungsangleichung nach oben sehr wohl möglich sei, hätten die Jahre 2016 bis 2018 gezeigt. In diesem Zeitraum wäre eine Harmonisierung über alle Versicherungsträger inklusive Selbstständige und Beamte in 23 Fällen gelungen, sagt Huss. Er war in diesem Zeitraum Obmann der Salzburger Gebietskrankenkasse. Die Palette reicht vom Kostenersatz bei Rollstühlen über Kontaktlinsen bis zu Blutzuckerteststreifen. Kostenvolumen pro Jahr: 84 Millionen Euro.

"Viel Arbeit für Echtbetrieb"

Matthias Krenn, Hotelier und FPÖ-Politiker aus Kärnten, hat als Vorsitzender des Überleitungsausschusses für die von Huss kritisierten Vertagungen der Harmonisierung eine Erklärung: Der Schwerpunkt der Arbeit liege derzeit einfach auf der Überleitung in die neue Struktur. "Da ist viel Arbeit für den Echtbetrieb zu leisten", sagt Krenn. Zudem wären die Anträge für die Mitglieder des Ausschusses einfach zu kurzfristig gekommen, sagt er im STANDARD-Gespräch. Eines aber sagt auch Krenn: Bis zur endgültigen und vollständigen Angleichung dürften "drei bis vier Jahre" vergehen. Die neun Kassen hätten sich in der Vergangenheit sehr unterschiedlich entwickelt.

Neuer Anlauf

Laut Bernhard Wurzer, seit Juli dieses Jahres Generaldirektor der ÖGK, steht das Thema Leistungsharmonisierung wieder am 17. Dezember auf der Tagesordnung des Überleitungsausschusses. Gewerkschafter Huss befürchtet allerdings eine neuerliche Vertagung: "Das wird dann wohl der Lackmustest werden." (Thomas Neuhold, 2.12.2019)