Nicht dass Alice Schwarzer eingeladen war, sondern dass sie allein eingeladen war – dagegen protestierte die ÖH, wie VertreterInnen im Gespräch sagen.

Foto: Imago/Alexander Pohl

Vor einer Woche sorgte ein Statement der Hochschüler_innenschaft der Universität für angewandte Kunst (Hufak) gegen eine Veranstaltung mit Alice Schwarzer für große Aufregung. Darin kritisierte sie Schwarzer für "antimuslimische Positionen" und spielte damit unter anderem auf ihre Aussagen zum Kopftuch an, das Schwarzer einmal mit dem Judenstern verglich ("Als Symbol ist es eine Art Branding, vergleichbar mit dem Judenstern") und immer wieder als Flagge des Islamismus bezeichnet.

Wegen der Aufforderung der Hufak, die Veranstaltung abzusagen, wurde ihr vorgeworfen, sie würde die Meinungsfreiheit an der Uni einschränken. Ein "Redeverbot" hätten sie jedoch nie gefordert, wie VertreterInnen der Hufak im Gespräch mit dem STANDARD betonen. Auch zeigten sie sich überrascht, dass das Statement einer Studierendenvertretung für so viel Kritik sorgt – Letzteres vor allem auf Facebook und über die Medien. "Per Mail, also nicht öffentlich, haben uns allerdings sehr viele gedankt, dass wir die Veranstaltung kritisiert haben", erzählen die beiden StudierendenvertreterInnen, die nicht namentlich genannt werden wollen – die Hufak will als Kollektiv über dieses Thema sprechen.

Überrascht über die große Aufregung war man vor allem deshalb, weil "Forderungen nach einem diversen Diskurs, wie wir sie gestellt haben, absolut nichts Neues an Unis sind". Man wollte damit hinterfragen, wer gehört und gelesen wird und wer keinen Platz im universitären Kanon hat. "Gewundert habe wir uns aber vor allem, dass es schnell umgeschlagen ist in: Die fordern die Einschränkung der Meinungsfreiheit – dabei verlangen wir nur einen diverseren Diskurs."

Schwarzer nicht alleinlassen

Studierende haben die Hufak kontaktiert und kritisiert, dass Alice Schwarzer als alleinige Position vorkommt. "Es ist schließlich unsere Aufgabe, solche Anliegen der Studierenden aufzugreifen und zu vertreten", so die Hufak. Dort habe man sich daher entschlossen, mit dem Professor, der Schwarzer eingeladen hat, und dem Rektor in Kontakt zu treten und "klar zu sagen, dass es in diesem Format keinen Sinn macht und Schwarzer nicht als einziger Gast und einzige Macherin einer feministischen Kampagne vorkommen sollte". Schließlich gebe es inzwischen vieles, das aktueller ist. Trotzdem: "Wir sind allen FeministInnen vor uns dankbar dafür, was sie geleistet haben, aber wir müssen sie auch kritisieren und den Diskurs weitertragen dürfen."

"Ein Sprechverbot war nicht unser Ziel", heißt es vonseiten der Hufak. "Wir waren von der Aussage von Rektor Gerald Bast überrascht, dass er sich über die 'Vehemenz' unserer Forderung gewundert hat." Ja, man sei bei der Hufak vehement, wenn es um einen diverseren Diskurs geht, "aber es war für uns ganz klar, dass wir das Format kritisieren und dass wir nicht verlangen, dass Alice Schwarzer nicht sprechen darf". Demnach sei ihr zentrales Anliegen gewesen, dass Schwarzer nicht die Bühne für sich allein hat.

Feminismus sei inzwischen ein riesiges Feld der Auseinandersetzung, und ganz unterschiedliche Personen führen unterschiedliche Debatten, deshalb sieht es die Hufak als Aufgabe einer Universität, diese Debatten offenzulegen und in die Lehre zu implementieren. Doch da sieht die Studierendenvertretung noch Handlungsbedarf: Es gebe zwar teilweise Lehrveranstaltungen dazu, aber die großen Bühnen gehören noch immer sehr wenigen Personen.

Was die Hufak als ihre Aufgabe sieht und was nicht

"Wir können doch nicht so tun, als wären wir eine homogene Gesellschaft, die bisher ausgelassenen Personen sind Teil unserer Gesellschaft", genau damit befasst sich der intersektionale Feminismus intensiv. Besonders in einem akademischen Kontext müsse man diese bisher ignorierten Personen mit reinnehmen, "das ist die Aufgabe einer Bildungsinstitution – und eigentlich nicht unsere". Sehr wohl sei es aber die Aufgabe einer Studierendenvertretung, von eine Uni zu fordern, dass sie auf dem neuesten Stand bleibt.

"Uns wird oft gesagt: Wenn ihr andere Positionen vermisst, bringt sie doch selber an die Uni. Es ist aber nicht unsere Aufgabe, diese Leerstellen zu füllen, sondern sie aufzuzeigen." Man versteht sich dort als politisch agierende Personen, sie seien aber keine feministischen FoscherInnen. Würden sie als FeministInnen diese Lehrstellen füllen, würde diese Position immer von unbezahlter Arbeit, wie die in einer Studierendenvertretung, besetzt werden. "Es gibt Leute, die von der Angewandten Geld dafür bekommen, dass sie Workshops, Vorträge oder Artist-Talks organisieren. Es ist ihre Aufgabe", so die Studierendenvertretung.

Dort kritisiert man auch, wir sehr in Laufe der Debatte um ihren Protest gegen die Veranstaltung polemisiert wurde, sei es mit Vergleichen zu US-Unis oder Sätzen wie "Teheran liegt an der Ringstraße" (die Universität für angewandte Kunst liegt an der Wiener Ringstraße, Anm.), wie der Diagonale-Intendant Peter Schernhuber* auf Facebook meinte.

Auch habe man nie gefordert, aus der Uni einen Safe Space zu machen. "Leute, die so etwas behaupten, wissen offenbar nicht, was ein Safe Space ist", nämlich etwa ein Rückzugsort für Menschen, die ähnliche Diskriminierung erfahren haben, dieselben Überzeugen haben – und sich deshalb mal in einen geschützten Rahmen zurückziehen wollen, ohne weiteren Diskriminierung ausgesetzt zu sein. Der Hufak war immer klar, dass eine Uni nie ein Safe Space sein kann. In einer Institution gebe es immer Diskriminierungsverhalten, und genau dieses müsse man kritisch beleuchten – "das ist noch lange keine Forderung nach einem Safe Space". Was die Hufak allerdings fordert, ist eine lernsichere Umgebung, "vielleicht einen saferen Raum, in dem man kritisch mit Diskriminierung umgeht".

Lernsichere Umgebung für alle

Man ist sich bei der Studierendenvertretung der Angewandten bewusst, dass es nicht leicht ist, sich mit Diskriminierungskritik auseinanderzusetzen, auch weil es eben manchmal bedeute, "Platz zu machen – auch auf einer Bühne". Aber die Forderung, Platz zu machen, könne man noch lange nicht mit einem Sprechverbot gleichsetzten. "Es ist unsere Aufgabe, auch für muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, eine lernsichere Umgebung einzufordern. Dass sie eine Veranstaltung besuchen können, ohne verbal angegriffen zu werden", so die Hufak. Dort hat man auch den Eindruck, dass es einen größeren Aufschrei wegen ihres Statements gegen die Veranstaltung mit Alice Schwarzer gab als bei dem Studenten, der mit einer Waffe auf die Uni ging – und vorher antimuslimische Postings abgeseilt hat.

Letztlich dürfe man auch nicht vergessen, dass die Veranstaltung mit Alice Schwarzer im größten Saal der Angewandten stattfand, "und das ist auch der Saal der Studierenden". Dass man bei der betreffenden Veranstaltung nach lauten Zwischenrufen einiger Aktivistinnen – die Hufak selbst hat weder eine Aktion geplant noch zu einer aufgerufen – aufgefordert wurde zu gehen, das "entspricht wohl nicht der Redefreiheit". (Beate Hausbichler, 3.12.2019)