Der Verkehr ist eines der großen Sorgenkinder der EU.

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Europa muss im Klimaschutz eine Vorreiterrolle einnehmen: Diese Botschaft hat die neue EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen schon vor Amtsantritt klargemacht. Die deutsche Politikerin will einerseits die Klimaziele der EU nachschärfen, aber auch sonst plant von der Leyen so einiges, wie einer internen Mitteilung der Kommission zu entnehmen ist.

Das Papier, in dem ein Entwurf des "European Green Deal" zusammengefasst wurde, liegt dem STANDARD vor. Daraus geht unter anderem hervor, dass die Kommission die "Netto-Null" bis 2050 in Gesetzesform gießen will. Bisher scheiterte das Vorhaben am Veto einiger weniger Mitgliedsstaaten. Das Emissionsreduktionsziel bis 2030 soll zudem von 40 auf 50 bis 55 Prozent angehoben werden. Außerdem plant die Kommission eine deutliche Emissionsreduktion im Verkehrsbereich und Neuerungen im Agrarsektor.

Bisher sind allerdings nur Überschriften bekannt, der finale Plan soll Anfang Dezember kurz vor dem Europäischen Ratstreffen veröffentlicht werden. Dort wird auch eine Anpassung des Emissionshandelssystems Thema sein.

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Individualverkehr: Der Verkehrssektor ist jener Bereich in der EU, in dem die Emissionen seit 1990 am stärksten gestiegen sind. Der Sektor verursacht 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in der Union. Weit mehr als die Hälfte davon entsteht durch den Pkw-Verkehr. Das ist auch Brüssel ein Dorn im Auge. Zwar hat die Union in den vergangenen Jahren einige Schritte gesetzt, um den Ausstoß zu reduzieren. Dazu zählt etwa ein CO2-Grenzwert bei Neuwagen – bisherige Bemühungen haben jedoch noch zu keiner Trendwende geführt.

Laut "Green Deal" will die Kommission 2020 einen Plan für nachhaltige und smarte Mobilität vorlegen. Unter anderem soll ein neuer Vorschlag für eine kilometerabhängige Maut begutachtet werden. Durch die "Eurovignette" sollen Mitgliedsstaaten auf ein System umstellen, das nach tatsächlichem Verbrauch abrechnet. Konkrete Details dazu sind dem Papier nicht zu entnehmen.

Die Kommission will außerdem den E-Mobilitätssektor weiter stärken. Dazu zählt die Einführung neuer Nachhaltigkeitskriterien für E-Auto-Batterien. Zudem sollen auch für Verbrennungsmotoren neue Luftverschmutzungsstandards eingeführt werden.

Die Mobilitätsstrategie müsse laut Papier jedenfalls dafür sorgen, dass "Preise die tatsächlichen Einflüsse auf die Umwelt und Gesundheit" reflektieren.

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Güterverkehr: Geht es nach der EU-Kommission, soll der Gütertransport von Straße und Luft größtenteils auf die Schiene verlegt werden. Heuer wurden auf EU-Ebene bereits neue Emissionsgrenzwerte für Lkws beschlossen. Der CO2-Ausstoß von schweren Nutzfahrzeugen wie Lkws und Kleinlastwagen soll bis 2025 um 15 und bis 2030 um 30 Prozent reduziert werden. Immerhin machen Lkws und Kleinlaster rund ein Viertel der EU-weiten Emissionen im Straßenverkehr aus und fünf Prozent aller Emissionen.

Außerdem müssen Hersteller bis 2025 sicherstellen, dass emissionsfreie oder -arme Fahrzeuge einen Marktanteil von mindestens zwei Prozent aller verkauften Neufahrzeuge ausmachen. Die bestehenden Regeln könnten künftig weiter nachgeschärft werden, wie dem Papier zu entnehmen ist.

Im "Green Deal" geht die Kommission insgesamt noch einen Schritt weiter. In der Zusammenfassung ist erstmals die Rede davon, dass Emissionen, die beim Gütertransport auf der Straße entstehen, in das EU-Emissionshandelssystem integriert werden sollen. Fix ist das natürlich noch nicht, die Kommission will diese Möglichkeit aber zumindest einmal prüfen lassen.

Durch die angedachten Maßnahmen dürfte der Gütertransport auf Europas Straßen jedenfalls teurer – und damit auch unattraktiver – werden.

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Flugverkehr: Steuerbefreites Kerosin, ermäßigte Umsatzsteuer auf Flugtickets, Bevorzugung beim Emissionshandel, reduzierte Flugabgabe: Die Kritik an der Luftfahrtbranche ist im Lichte der Klimadebatte zuletzt deutlich gestiegen. Die Ticketpreise spiegeln die Belastung für die Umwelt nicht wider, so lautet der Tenor der Kritiker. Zahlreiche Ideen wurden ventiliert, wie man dem Problem zu Leibe rücken könnte: Inlandsflüge verbieten, C02-Steuer, Rücknahme der 2018 beschlossenen Halbierung der Flugabgabe.

Die Hauptstoßrichtung in Brüssel ist es nun, Gratiszertifikate zu reduzieren. Seit 2012 ist der Flugverkehr Teil des Emissionshandels. Theoretisch eine gute Lösung, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren – wären da nicht die Ausnahmen und Sonderzuteilungen. Anfangs sollten alle Flüge, die in der EU starten und landen, einbezogen werden. Nach Protesten von Drittstaaten wurden nur Flüge im europäischen Wirtschaftsraum einbezogen – die erfasste CO2-Menge sank um 80 Prozent.

Außerdem erhalten Airlines den Großteil der Zertifikate kostenlos. Der Anreiz, Emissionen zu senken, ist nicht besonders groß. Bekommt die Kommission grünes Licht von den Mitgliedsstaaten könnten nun zwischen 2021 und 2027 auf die EU-Airlines Zusatzkosten von rund fünf Milliarden Euro zukommen. Fliegen wird damit wohl teurer werden.

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Schifffahrt: Überlegungen, den Emissionshandel auf breitere Beine zu stellen und mehr Sektoren zu erfassen, gibt es schon länger. Teil des "Green Deal" ist nun explizit der Vorschlag, den Emissionshandel auch auf die Schifffahrt auszuweiten. Eine Forderung, die auch das Europäische Parlament jüngst noch einmal mit Nachdruck auf den Tisch gelegt hat.

Auch die OECD hat jüngst kritisiert, dass der Emissionshandel klimatechnisch in den Kinderschuhen stecke – und grosso modo nur einen kleinen Teil des relevanten Ausstoßes abdecke. Dabei könne Emissionshandel gleich effizient sein wie CO2-Steuern, monierte die Organisation. Derzeit ist er für rund sechs Prozent der CO2-Bepreisung in den OECD-Ländern verantwortlich. Das EU-System decke zumindest den Großteil der Emissionen aus der Stromproduktion und innereuropäische Flüge ab. Das Nichteinbeziehen der Schifffahrt wird auch hier kritisiert.

Die Branche fürchtet vor allem die Umrüstungskosten. Die Nationalstaaten kochen da eigene Süppchen. Frankreich hat etwa schon eine Transformationsstrategie sowie ein nationales Förderprogramm. In Belgien bieten einzelne Regionen Zuschüsse an. Die Hoffnung der Branche liegt auf einem europäischen Nachhaltigkeitsfonds. Darauf müssten sich die Staaten aber erst verständigen. (Nora Laufer, Regina Bruckner, 3.12.2019)