Von links nach rechts: Beate Meinl-Reisinger (Neos), Nurten Yılmaz (SPÖ), Mahsa Ghafari (SOS Mitmensch), Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) und Olivera Stajić (DER STANDARD) diskutierten über die Zukunft der österreichischen Integrationspolitik.

Foto: Integrationsgipfel / Igor Ripak

Wien – "Es wird viel über Migranten gesprochen, aber mit Migranten selbst redet kaum jemand", sagt Dino Schosche, Initiator des "Ersten Österreichischen Integrationsgipfels", der am Montag in der Wiener Hofburg stattfand. Ziel des Projekts sei es, genau diesen Umstand zu ändern und die Integrationsdebatte in Österreich zu versachlichen, so Schosche. Vor Vertretern von 450 Organisationen aus Politik, Wirtschaft und migrantischen Communitys wurde ein Expertenrat vorgestellt, der bis Herbst 2020 einen "österreichischen Integrationsplan" ausarbeiten soll.

"Durchs reden kommen die Leut zam", sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen in einer Videobotschaft zur Eröffnung des Gipfels. Im Anschluss diskutierten Beate Meinl-Reisinger (Neos), Nurten Yılmaz (SPÖ), Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne), Mahsa Ghafari von SOS Mitmensch und STANDARD-Journalistin Olivera Stajić über die Zukunft der österreichischen Integrationspolitik. ÖVP-Chef Kurz hat sich aus Zeitgründen entschuldigen lassen, und Norbert Hofer (FPÖ) habe auf die Einladung nicht reagiert, hieß es von den Organisatoren.

Fehlende Partizipationsmöglichkeiten

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand das Schlagwort Teilhabe. "Neben einem Migranten bin ich auch noch ein Vater, Unternehmer und Steuerzahler, darf aber nicht mitbestimmen", sagt Dino Schosche, der selbst als Kind aus Ex-Jugoslawien erst nach Deutschland und dann nach Österreich eingewandert ist. Dass 1,1 Millionen Menschen, die in Österreich leben, hier nicht wählen dürfen, zeige, dass in Sachen Teilhabe noch viel zu tun sei. "Ich persönlich wünsche mir ein Wahlrecht auf kommunaler Ebene nach fünf Jahren Aufenthalt", so Schosche.

Beate Meinl-Reisinger sprach sich für ein österreichisches Einwanderungsgesetz aus, das die legale Immigration erleichtert. Die Hürden bei der Rot-Weiß-Rot-Karte seien "enorm hoch", kritisierte sie. Außerdem brauche es eine gezielte Anwerbestrategie für Fachkräfte. Ewa Ernst-Dziedzic sagte dazu: "Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen." Integrationspolitik dürfe nicht dem Leistungsprinzip folgen und sich nur an Fachkräfte richten.

Schosche: Das ist erst der Anfang

Konkrete Empfehlungen an die Politik sollen am zweiten Integrationsgipfel 2020 in Form eines "österreichischen Integrationsplans" vorgestellt werden. Den soll ein Expertenrat aus Vertretern von Wissenschaft, NGOs, Politik aber auch Zivilgesellschaft bis dahin ausarbeiten. Der Fokus liegt dabei auf den vier Themenbereichen Arbeit, Integration, Teilhabe und Gesundheit, erklärten Thomas Fritz von der Universität Wien und Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuni Wien, zwei der Experten des Rats. Das Ergebnis richte sich aber nicht nur an die Politik, sondern "wichtig ist, dass sich auch die Migrantenorganisationen öffnen", betont Schosche.

Vorbild für den österreichischen Integrationsgipfel ist sein deutsches Pendant. Seit 2006 treffen sich auf Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) jedes Jahr Politik, Migrantenorganisationen, Medien und Interessensvertretungen, um über das Thema Integration zu beraten. Der Gipfel in Wien wurde von dem gemeinnützigen Verein Prisma organisiert und von Stadt Wien und Arbeiterkammer gefördert. Auch einen Rat für Migration gibt es in Deutschland – anders als das in Österreich geplante Projekt besteht er aber nur aus Vertretern der Wissenschaft. (Johannes Pucher, 3.12.2019)