Jeder weiß, dass eine gute Tasse Kaffee oft eine gute Idee ist, um einen neuen Arbeitstag zu beginnen. Was viele Menschen jedoch nicht wissen, ist, dass das häufigste Material für Kaffeetassen (Keramik) eines der schönsten Beispiele für Verbundwerkstoffe ist.

Diese Art von Materialien zeichnet sich dadurch aus, dass sie als Mischung vieler verschiedener Komponenten entsteht. Wenn wir ihre atomistische Struktur in Vergrößerung betrachten, sind diese unterschiedliche Komponenten sichtbar und bleiben voneinander unterscheidbar. Wenn wir jedoch das Gesamtverhalten von Verbundwerkstoffen betrachten, sind die einzelnen Effekte der verschiedenen Komponenten nicht mehr spürbar: Wir sehen direkt nur ein einziges, homogenes Material.

Metamaterialien

Als Italienerin ist Pizza das selbstverständliche Beispiel, das ich mir für solche Materialien vorstellen kann. Wenn man versucht, zu Hause Pizzateig zuzubereiten, sind am Anfang alle verschiedenen Zutaten (Mehl, Wasser, Öl, Salz) voneinander getrennt sichtbar, aber am Ende des Knetens sieht man nur ihre Mischung und kann man die Wirkung der einzelnen Inhaltsstoffe nicht mehr unterscheiden.

Eine besondere Klasse von Verbundwerkstoffen bilden die sogenannten Metamaterialien. Hierbei handelt es sich um künstlich hergestellte Verbundwerkstoffe, die so konzipiert wurden, dass ihre strukturellen Eigenschaften verbessert sind.

Das Interesse an Metamaterialien beruht auf ihren ungewöhnlichen Eigenschaften, die als Nebenprodukt ihrer komplexen Strukturen entstehen. Metamaterialien sind aufgrund ihrer Bedeutung für industrielle Anwendungen ein zunehmend attraktives Forschungsgebiet an der Schnittstelle zwischen Materialwissenschaften, Physik, Ingenieurwesen und Mathematik. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass innerhalb des EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation, Horizont 2020, eine der Richtungen im Bereich der Zukunfts- und Zukunftstechnologien (FET) genau diese Technologien mit neuen Materialien besonders berücksichtigt.

Die mikroskopische Struktur von Keramik.
Foto: His Manliness/Wikimedia [cc 3.0], https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Ceramics?uselang=de#/media/File:Etch_A999.jpg

Eine Theorie für alle

Ein grundlegendes Werkzeug zur Beschreibung der strukturellen Eigenschaften von Verbundwerkstoffen ist die mathematische Theorie der Homogenisierung. Als erste Vereinfachung nehmen wir an, dass die Art und Weise, in der die verschiedenen Komponenten gemischt werden (die sogenannten Mikrostruktur), regelmäßig ist und sich in jedem Teil des Materials wiederholt. Grob gesagt entspricht dies der Vorstellung, dass sich unter einem großen Mikroskop immer die gleiche Struktur wiederholt, egal in welchen Teil des Materials wir hineinzoomen.

Die Grundidee lautet dann: Wir interpretieren das Verhalten des Verbundwerkstoffs als das "Limitverhalten" – also das, was auftritt, wenn die Mikrostruktur immer feiner wird. Mit anderen Worten: Wir stellen uns vor, eine Abfolge von Problemen (und deren Limit) mit einer Mikrostruktur zu betrachten, die sich selbst in kleinem Maßstab repliziert.

Viele Fragen warten darauf, beantwortet zu werden

Aus mathematischer Sicht ist dieser Übergang von der den verschiedenen Bauteilen zugeordneten Mikrostruktur zum Limitverhalten des Verbundwerkstoffs häufig mit zahlreichen Herausforderungen verbunden.

Was können Verbundwerkstoffe im Hochbau leisten? Gemeinsam mit F. Bonizzoni (Universität Wien) und G. Balduzzi (TU Wien) untersuchen wir die Auswirkungen komplexer Mikrostrukturen auf Balken und andere Strukturelemente, die im Ingenieurbau eingesetzt werden.

Wenn ich die Art und Weise ändere, in der die Komponenten gemischt werden, sehe ich etwas anderes? Gemeinsam mit C. Kreisbeck (Universität Utrecht) und R. Ferreira (KAUST) versuchen wir zu verstehen, wie die Geometrie, in der die verschiedenen Komponenten verteilt sind, sich auf das Gesamtverhalten von Metamaterialien auswirkt.

Was ist, wenn die Materialeigenschaften der Bauteile sehr heterogen sind? Mit I. Fonseca, L. Ganedi (Universität Carnegie Mellon) sowie mit M. Kružík und seiner Gruppe (Tschechische Akademie der Wissenschaften) untersuchen wir eine neue Klasse von Metamaterialien, die durch große Unterschiede in den Eigenschaften der verschiedenen Komponenten gekennzeichnet ist.

Was können wir über magnetische Metamaterialien sagen? Mit G. Di Fratta (TU Wien) haben wir gezeigt, dass die Magnetisierung in zusammengesetzten magnetischen Materialien Wendeln (chiralen Strukturen) bildet, was ein mathematisches Gegenstück zur Vorhersage physikalischer Theorien darstellt.

Ein Beispiel für die möglicherweise entstehenden Helixstrukturen.
Foto: Elisa Davoli/Giovanni Di Fratta

Zusammen mit meiner Forschungsgruppe in Wien und mit unseren nationalen und internationalen Kooperationsparterinnen und -partnern suchen wir nach Antworten auf diese und andere damit verbundene Fragen. Wir bauen dabei sowohl auf Werkzeuge der mathematischen Analyse als auch auf den interdisziplinären wissenschaftlichen Austausch. (Elisa Davoli, 4.12.2019)

Die Forschungsgruppe "Multiscale Calculus of Variations and PDEs"
Foto: Elisa Davoli