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Die Polizei ermittelte fieberhaft im Berliner Kleinen Tiergarten.

Foto: Christoph Soeder / dpa / AFP

Die Tat schockierte Deutschland Ende August: Von einem Fahrrad aus wurde der 40-jährige Georgier Selimchan Changoschwili am helllichten Tag mitten im Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabit erschossen. Die Polizei nahm wenig später zwar einen Tatverdächtigen fest, einen 49-Jährigen, auch die Tatwaffe und das Fahrrad wurden sichergestellt. Und doch rankten sich von Beginn an Gerüchte um die Bluttat.

Nun wird ein politischer Zusammenhang immer wahrscheinlicher – ein Zusammenhang, der die Beziehungen Deutschlands zu Russland empfindlich beeinträchtigen dürfte.

Denn das Opfer war früher Mitglied einer georgischen Spezialeinheit und hatte im zweiten Tschetschenienkrieg zu Beginn der Nullerjahre gegen die russische Armee gekämpft und war später in seiner Heimat sowie in der Ukraine aktiv. 2016 suchte der Mann in Deutschland um Asyl an. Der Pass seines mutmaßlichen Mörder weist diesen als Russen namens Vadim S. aus.

Falsche Identität

Aufgedeckt hatte dies schon kurz nach der Tat ein Recherchenetzwerk internationaler Zeitungen, darunter der "Spiegel". US-Regierungskreise bestätigten wenig später die Einschätzung der Journalisten, wonach der Verdächtige wohl unter falscher Identität in den Schengenraum eingereist sei: Das Szenario eines Auftragsmords liegt seither nahe.

Laut vom New Yorker "Wall Street Journal" zitierten US-Regierungskreisen war der Tatverdächtige erst kurz vor dem Verbrechen in Berlin aus einem russischen Gefängnis entlassen worden, wo er wegen Mordes eingesessen hatte.

Er habe dann einen Pass unter dem mutmaßlich falschen Namen Vadim S. ausgestellt bekommen. Anschließend habe er bei der französischen Botschaft in Moskau ein Schengenvisum ausgestellt bekommen, obwohl, wie sich später herausstellte, die angegebene Adresse nicht stimmte und die für den Antrag notwendige Sozialversicherungsnummer erst kurz zuvor eingerichtet worden war.

"Eine falsche Identität mit einem echten Reisepass kann nur von den russischen Behörden geliefert werden", sagte ein US-Regierungsmitarbeiter schon im September dem "Wall Street Journal". S. reiste diesen Angaben zufolge dann über Paris und Warschau nach Berlin.

Spuren nach Moskau

Wie der "Spiegel" berichtet, finden sich weitere Hinweise auf eine direkte Beteiligung russischer Behörden: So soll der Eintrag von Vadim S. in der Datenbank für russische Ausweisdokumente gesperrt sein, weil dieser "vom Gesetz geschützt" sei. Die Nummer seiner angeblichen Arbeitgeber, die S. bei seinem Visaantrag angab, war früher vom Moskauer Verteidigungsministerium benutzt worden.

Weil, wie der "Spiegel" berichtet, die russische Justiz 2015 die internationale Fahndung nach einem mutmaßlichen Mörder einstellte, der laut Forensikern ebenjener Vadim S. sein soll, verdächtigt die deutsche Justiz nun offiziell den russischen Staat des Mordauftrags. Generalbundesanwalt Peter Frank könnte die Ermittlungen zu dem Mord im Berliner Tiergarten in Bälde an sich ziehen, schreibt das Blatt. Die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau, so viel steht fest, dürften dann merklich abkühlen. (red, 3.12.2019)