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Kenneth Rogoff ist ehemaliger Chefökonom des IWF und Professor für Ökonomie und Public Policy an der Universität Harvard.

Foto: Reuters / Ruben Sprich

Facebooks Chef Mark Zuckerberg hatte zumindest halb recht, als er jüngst vor dem US-Kongress äußerte, die USA hätten kein Regulierungsmonopol für Zahlungstechnologien der nächsten Generation.

Selbst wenn einem Facebooks Vorschlag der Kryptowährung Libra nicht gefalle, so Zuckerbergs stillschweigende Andeutung, sei eine staatliche chinesische Digitalwährung mit globalen Ambitionen womöglich nur ein paar Monate weit weg, und die würde einem vermutlich noch weniger gefallen.

Vielleicht hat sich Zuckerberg zu weit vorgewagt, als er andeutete, der nahe Aufstieg einer chinesischen Digitalwährung könne die allgemeine Dominanz des Dollars im globalen Handels- und Finanzsystem – zumindest in dem Teil, der legal ist und besteuert und reguliert wird – untergraben.

Die US-Regulierungsbehörden haben enorme Macht nicht nur über US-Unternehmen, sondern auch über alle Finanzunternehmen, die Zugriff auf Dollarmärkte haben müssen. Europa hat dies kürzlich feststellen müssen, als die USA europäische Banken zwangen, schwerwiegende Beschränkungen in Bezug auf ihre Iran-Geschäfte einzuhalten.

Schattenwirtschaft

Amerikas tiefe und liquide Märkte, seine starken Institutionen und sein Rechtsstaat werden Chinas Bemühungen um Währungsdominanz noch lange einen Riegel vorschieben. Chinas belastende Kapitalkontrollen, seine Begrenzung ausländischer Anleihe- und Aktienbestände und die allgemeine Undurchsichtigkeit des Finanzsystems stellen sicher, dass der Renminbi den Dollar in der legalen Weltwirtschaft frühestens in Jahrzehnten verdrängen wird.

Die Kontrolle über die Schattenwirtschaft jedoch ist eine völlig andere Sache. Die globale Schattenwirtschaft, die überwiegend aus Steuerhinterziehung und Straftaten, aber auch aus Terrorismus besteht, ist viel kleiner als die legale Wirtschaft (vielleicht ein Fünftel davon), aber trotzdem enorm wichtig.

Das Problem ist hier weniger, wessen Währung dominant ist, als vielmehr, wie sich schädliche Auswirkungen minimieren lassen. Und eine weithin verwendete, staatlich gestützte chinesische Digitalwährung hätte mit Sicherheit Auswirkungen, insbesondere in Bereichen, in denen Chinas Interessen nicht mit denen des Westens übereinstimmen.

Eine von den USA regulierte Digitalwährung könnte im Prinzip eine Nachvollziehbarkeit durch US-Behörden vorschreiben – falls Nordkorea sie zum Anheuern russischer Atomwissenschafter oder der Iran sie zur Terrorismusfinanzierung nutzen sollte, wären diese Länder einem hohen Risiko ausgesetzt, erwischt oder gar gestoppt zu werden.

Würde die digitale Währung jedoch von China aus betrieben, hätten die USA viel weniger Eingriffsmöglichkeiten. Westliche Regulierer könnten die Nutzung von Chinas Digitalwährung letztlich verbieten, aber das würde ihren Einsatz in großen Teilen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens nicht verhindern. Das wiederum könnte eine Nachfrage aus der Schattenwirtschaft auch in den USA und Europa hervorrufen.

Unter Schweizer Aufsicht

Man kann durchaus fragen, warum bestehende Währungen wie Bitcoin diese Funktion nicht bereits ausfüllen können. In einem äußerst beschränkten Umfang tun sie dies. Doch haben die Regulierungsbehörden weltweit enorme Anreize, die Nutzung von Kryptowährungen zu beschränken, indem sie ihre Verwendung im Bankwesen und im Einzelhandel verbieten. Diese Beschränkungen machen bestehende Kryptowährungen hochgradig illiquide.

Bei einem von China gestützten digitalen Renminbi, den man problemlos in einer der beiden weltgrößten Volkswirtschaften ausgeben könnte, wäre das anders. Zwar wird, wenn China seine neue digitale Währung einführt, diese mit Sicherheit "permissioned" sein – sie wird also einer Genehmigungsinstanz unterliegen: Es wird eine zentrale Clearingstelle geben, die es Chinas Regierung im Prinzip erlaubt, alles und jedes zu sehen. Aber das gilt nicht für die USA.

Auch Facebooks Libra ist "permissioned"; sie soll aber der Schweizer Aufsicht unterstehen. Die Zusammenarbeit mit der Schweiz, wo die Währung offiziell registriert wäre, wäre mit Sicherheit besser als die mit China – trotz der langen Tradition der Schweiz, Finanzgeschäfte, insbesondere was Steuerhinterziehung angeht, der Geheimhaltung zu unterlegen.

Dass Libra an den US-Dollar geknüpft wäre, gäbe den US-Behörden zusätzliche Informationen, weil (gegenwärtig) die gesamte Verrechnung von Dollars über von den USA regulierte Einrichtungen erfolgen muss.

Regulation und Steuern

Immerhin hat Libra zumindest viele Notenbanken in hochentwickelten Volkswirtschaften inspiriert, ihre Programme zur Bereitstellung digitaler Einzelhandelswährungen und, hoffentlich, zur Verstärkung der Finanzinklusion weiterzuentwickeln. Doch geht es bei dieser Schlacht nicht bloß um die Gewinne aus dem Drucken von Geld.

Letztlich geht es um die Fähigkeit des Staates, die Wirtschaft im Allgemeinen zu regulieren und Steuern zu erheben, und um die Fähigkeit der US-Regierung, die weltweite Rolle des Dollars zur Förderung eigener weltpolitischer Ziele zu nutzen.

Libra ist vermutlich nicht die Antwort auf die kommenden, von staatlich gestützten digitalen Währungen aus China und anderswo ausgehenden Erschütterungen. Aber wenn nicht, müssen die westlichen Regierungen jetzt über ihre Reaktion nachdenken – bevor es zu spät ist. (Kenneth Rogoff, Übersetzung: Jan Doolan, Portfolio, 6.1.2020)