Christina von Dreien hat sich als minderjähriger Esoterik-Teen recht fein positioniert. Die Schweizerin ist jetzt volljährig, der Welpenschutz gilt also nicht mehr, wir dürfen das Phänomen bei der Analyse ein wenig grober anpacken. Von Dreien macht mit einer durchaus großen Klappe neugierig. Sie vermutet in ihrem Buch "Die Vision des Guten" unter anderem, dass die schwarzen Flecken auf der Oberfläche unserer Sonne Eingänge ins Innere der Sonne sind. "Denn auch dort gibt es, wie überall, Leben." Auch über den Bau der Pyramiden hat sich die Lolita der Feinstofflichkeit Gedanken gemacht, die sehr fundiert klingen: "In Ägypten beispielsweise nutzte man so etwas Ähnliches wie fliegende Teppiche, um die Steinblöcke zu transportieren." 

Kam der Beelzebub persönlich zu Dreiens Tagesseminar?

Und dann erscheint die Frau, die den Durchblick hat, bei einem Tagesseminar, für das hunderte Besucher bis zu 140 Euro bezahlen, mehr als eineinhalb Stunden nicht auf der Bühne. Das Publikum in St. Gallen ist beunruhigt. Das Video zum Tagesseminar klärt auf: Von Dreien "hatte sich für den Tag ein heikles Thema vorgenommen." Und da schläft das Böse nicht: "Es war für sie klar, dass das Unlicht sie mit dem Angriff daran hindern wollte, dies zu tun." Wer das "Unlicht" sein soll, verrät von Dreien zwar nicht, aber wir vermuten, dass es etwas mit den fliegenden Teppichen aus Ägypten zu tun hat.

Eine Hundertschaft des erwartungsvollen Publikums nahm sich vor der Halle achtsam an den Händen und bildete einen Kreis, während von Dreien in der Garderobe vermutlich noch immer mit dem garstigen "Unlicht" rang. Achtung Spoiler: Die Sache ging gut aus. Von Dreien erscheint mit großer Verspätung und mit verweinten Gesicht auf der Bühne und kommt zur Sache: "Ich habe etwas geplant, das ich vorher noch nie gezeigt hatte, und das hat das Unlicht nicht wirklich gerne." Was ist geschehen? Rückt das "Unlicht" den fliegenden Teppich nicht heraus? In der Halle baut sich ein enormer Spannungsbogen auf. Wird die junge Dame in den Kampf gegen das Böse ziehen? Von Dreien erlöst das Publikum: "Ich bin hartnäckig, wir führen das trotzdem aus." Das Publikum ist aus dem Häuschen und applaudiert seiner Lichtarbeiterin, als hätte das "Unlicht" von einem spirituellen Schiedsrichter aus dem Universum soeben die gelb-rote Karte gezeigt bekommen. 

Christina von Dreien

Es dreht sich viel um Feinstofflichkeit und Spiritualität

Der Rest des Matches verläuft dann leider zäh. Von Dreien referiert bei solchen Tagesseminaren vor hunderten Zuhörern. Ihre Sätze wirken so, als hätte eine esoterische Mischmaschine ein paar Dutzend Begriffe von Achtsamkeit über Ebene, Feinstofflichkeit, Spiritualität und Zeitalter fein vermischt. Das hört sich dann so an: "Spiritualität bedeutet viel mehr als nur feinstoffliche Welten, sondern auch Bewusstseinserweiterung, und da ist es unumgänglich, dass wir unseren Blick auch in die physische Welt öffnen." Oder: "Wir können, wenn wir zu irgendwas Ja sagen, oder wenn wir zu irgendwas Nein sagen, dann können wir einfach Ja oder Nein sagen und es gibt nirgendwo ein Gesetz. das besagt, dass wir unseren Entscheid erklären müssen."

Das geht stundenlang so dahin und nicht nur das "Unlicht" wird unwucht. Spätestens jetzt wollen wir mit dem fliegenden Teppich diskret einen polnischen Abflug aus der Enge der Sitzreihen machen, um uns in der Restauration der Veranstaltungshalle ein Cola-Rot zu genehmigen, das uns eventuell aus der Tagesseminar-Trance retten könnte. Der Drink könnte auch darüber hinwegtrösten, dass erwachsene Menschen, die sich Tagesseminare mit Christina von Dreien stumm und andächtig antun, an Wahlsonntagen ihre Stimme abgeben dürfen. (Christian Kreil, 17.12.2019)

Leuchtende Augen-Faktor: ★★★★☆

Schwiegermutter-Geschenk Tauglichkeits Faktor: ★★★★★

Umtauschgefahr-Faktor: ★★★☆☆

Türchen im Kalender