Die Karten sind gemischt – für Mark Pieth hat Österreich aus Antikorruptionssicht kein gutes Blatt.

Foto: APA/Barbara Gindl

Mark Pieth hat sich als Antikorruptionsexperte und Strafrechtsprofessor einen Namen gemacht und wurde von der OECD, Regierungen und anderen Organisationen zurate gezogen. Besonders bekannt wurde er im Kampf gegen Machenschaften des Fußballverbands Fifa. Die Casinos-Affäre müsste zum Rücktritt aller Beschuldigten führen, meint Pieth. Die Regierung fordert er zum Handeln auf. Und: Wegen der Vorwürfe könnten bestehende Lizenzen von Casinos und Novomatic in anderen Ländern infrage gestellt werden.

Bild nicht mehr verfügbar.

Joseph Blatter (links), der einst allmächtige Fußballpräsident, wurde von Mark Pieth 2015 mit Schmiergeldzahlungen in Verbindung gebracht. Darauf zensierte die Fifa den Untersuchungsbericht des Schweizer Professors.
Foto: Reuters/Arnd Wiegmann

STANDARD: Sie haben als Antikorruptionsexperte auch immer wieder Österreich im Blick. Wie beurteilen Sie die Bestechungsvorwürfe rund um die Bestellung von Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos?

Pieth: Ich war zehn Jahre lang Kasino-Aufseher in der Schweiz. In dieser Zeit haben wir Bewilligungen für 20 Kasinos erteilt, Novomatic und Casinos Austria sind da auch zum Zug gekommen. Die Spielbankenkommission in der Schweiz wird sich wohl damit beschäftigen müssen, ob Novomatic und Casinos Austria noch verlässliche Partner sind. Ganz unabhängig vom Strafrecht stellt sich die Frage: Wenn die solche Dinge machen, kann man die Betriebe dann noch weiter im Spielbankengeschäft berücksichtigen? Das ist wie bei Banken, die fit & proper sein müssen. Die Verdachtslage in Österreich klingt nicht nach fit & proper, sondern eher nach manipulativ.

STANDARD: Gilt das Ihrer Meinung nach auch für andere Länder?

Pieth: Alle Spielbankenkommissionen in Ländern, in denen Casinos Austria oder Novomatic in irgendeiner Form tätig sind, müssten sich die Frage stellen: Sind das noch valable Partner? Erfüllen sie noch die Grundbedingungen der Zuverlässigkeit?

Die Bestellung des mittlerweile abberufenen Finanzers Peter Sidlo brachte den Stein bei den Casinos ins Rollen.

STANDARD: Novomatic soll für Sidlo gestimmt haben, weil dem Unternehmen Kasinolizenzen ins Aussicht gestellt worden seien, so die Staatsanwaltschaft. Wie beurteilen Sie die Verdachtslage strafrechtlich?

Pieth: Ob die Vorgänge strafrechtlich relevant sind, lässt sich nicht leicht beantworten. Meiner Meinung nach kann es ein geldwerter Vorteil sein, wenn ich sehr viel Geld erhalte und sehr wenig dafür leisten muss.

STANDARD: Novomatic hat jedenfalls keine Lizenzen erhalten. Ist das relevant?

Pieth: Die Bestechungsnormen sind so geschaffen, dass das Versprechen reicht. Das ist bereits strafbar.

STANDARD: Welches Sittenbild gibt Österreich nach Ibiza- und Casinos-Gate ab?

Pieth: Es ist schon auffällig, dass bei den Geschichten von Ibiza bis Casinos immer eine Partei im Zentrum steht. Das zeigt, wie riskant die FPÖ ist.

STANDARD: Ich versuche es anders. Ist Österreich besonders korruptionsanfällig?

Pieth: Korruption gibt es überall. Heikler ist, dass man Vorfälle wie das Ibiza-Video kleinreden kann. Herr Strache hat ja gesagt, das war eine b'soffene G'schicht. Das verrät ja, was er eigentlich ist. Wenn er nicht besoffen ist, nimmt er sich zusammen. Das hat aber viele Leute nicht daran gehindert, Strache zu wählen. Fehlendes Unrechtsbewusstsein findet man allerdings auch an anderen Orten.

Thomas Schmid fungiert weiter als Öbag-Chef – für Pieth ein unhaltbarer Zustand.
Foto: HO

STANDARD: Apropos Unrechtsbewusstsein: Bei den Casinos wird die interne Aufarbeitung zu einem guten Teil von der Aufsichtsratsspitze beeinflusst, von denen drei selbst Beschuldigte sind. Ist das vereinbar?

Pieth: Wenn das ein staatlicher oder teilstaatlicher Betrieb ist, müssten die Personen zurücktreten. Ich arbeite für den Internationalen Leichtathletikverband. Wenn jemand einen schlechten Ruf hat, dann muss er ausscheiden, egal ob die Vorwürfe berechtigt sind, zumindest provisorisch. Das ist doch selbstverständlich. Verdächtige Leute dürfen einen Staatsbetrieb nicht vertreten. Mit einem Drittelanteil wie bei den Casinos hat man eine Sperrminorität, da muss der Staat erst recht dafür sorgen, dass Ordnung herrscht. Die Personen sind als Organe des Unternehmens nicht brauchbar, bis Schuld oder Unschuld geklärt sind. Das ist kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung.

Wie das Spiel für Heinz-Christian Strache ausgeht, kann derzeit nicht seriös beurteilt werden.
Foto: Collage Der Standard

STANDARD: Der öffentliche Casinos-Anteil wird von der Staatsholding Öbag verwaltet, deren Chef ebenfalls beschuldigt ist. Er weist die Vorwürfe zurück. Wie beurteilen Sie, dass auch er weiter amtiert?

Pieth: Das ist ein Maß an Verbandelung, das normale Kungelei übersteigt. Sie finden derartige Dinge in Afrika. Aber in Europa sollten Personen, die unter Verdacht stehen, nicht die Geschicke eines Unternehmens leiten, bis der Verdacht geklärt ist. Die Regierung müsste man da in die Pflicht nehmen. Das sind Dinge, die nicht warten können. Hier muss man handeln. (Andreas Schnauder, 4.12.2019)