Kathrin Schwarzenbacher: "Tod auf Bewährung". Ecowin-Verlag 2019, 143 Seiten, 22 Euro.

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Wenn sich Gesundheitsmanagerinnen und -manager heutzutage treffen, um über die Qualität der Versorgung zu sprechen, ist Patientensicherheit ein großes Thema. Was einfach klingt, ist ziemlich komplex: Da geht es darum, wie Diagnosen erstellt werden, wie sie den Betroffenen vermittelt werden, wie es Patientinnen und Patienten geht und wie eine Behandlung für alle Beteiligten bestmöglich über die Bühne geht.

Wer nachlesen will, was alles dabei so richtig schiefgehen kann, sollte es bei Kathrin Schwarzenbacher tun. Sie hat ein Buch mit dem Titel "Tod auf Bewährung" geschrieben. Es ist ihre persönliche Geschichte über eine falsche Diagnose, eine fälschlich verordnete Chemotherapie und ihre Rettung, die nur deshalb möglich war, weil sich ein befreundeter Arzt ihrer annahm und Zug um Zug die Wahrheit herausfand. Dramatischer Stoff also für eine Geschichte, bei der viele Fehler zusammengekommen sind.

Stationen einer Krankheit

So viel vorweg: Unmittelbar von Krebs Betroffene sollten vorsichtig sein. Es kann einem bei der Lektüre dessen, was da passiert ist, angst und bange werden. Die Geschichte ereignete sich im Jahr 2003. Die Chronologie der Ereignisse: Ein Knoten im Bauch, die damals 27-jährige Stewardess geht zum Urologen, der schickt sie zum Radiologen, und irgendwann landet sie auf der Onkologie, wo ihr ein wenig empathischer Arzt dann eine niederschmetternde Diagnose stellt. Vielleicht ist diese Passage auch tatsächlich die wichtigste im Buch, weil sie zeigt, was so ein Arztgespräch bewirkt: Krebs als Todesurteil, als Untergang, als das Ende der Welt. Schwarzenbacher kann dem Arzt und seinen Ausführungen nicht folgen. Und einmal ganz abgesehen davon, dass Krebs heute in vielen Fällen schon sehr gut behandelbar ist, zeigt es doch die emotionale Überforderung, die Schwarzenbacher keine Fragen stellen lässt.

Die Konsequenz: Sie akzeptiert die Diagnose. Sie habe eine sehr seltene Form eines Lymphoms und startet mit der Chemotherapie, deren Nebenwirkungen sie sehr ausführlich beschreibt. Klar ist: Krebs ist auch ein Gefühlschaos aus Mut und Angst, aus Schuldsuche und Überlebenswillen.

Im Rückblick ist aber vielleicht gerade das die allerwichtigste Lehre im Buch: Patientinnen und Patienten sollten sich trauen, bei ihren Ärzten nachzufragen, sollen bei schwierigen (weil seltenen) Diagnosen eine zweite Meinung einholen, sollten durchaus auch um ein zweites Gespräch bitten, wenn sie beim ersten einfach die wichtigen Dinge nicht mitbekommen haben.

Selbstbewusste Patienten

Schlussendlich könnte dieses Buch Leserinnen und Leser, die krank sind, zu mehr Selbstbewusstsein animieren. Wer weiß, was alles schieflaufen könnte, ist kritisch, traut sich, Dinge zu hinterfragen. Für Schwarzenbacher übernahm diese wichtige Aufgabe ein Arzt in der Rehaklinik, in der sie sich von der Chemotherapie erholte. Er nahm sich ihrer an, durchforstete ihre Krankenakten, ihre histologischen Befunde und schickte sie an zwei deutsche Krebszentren. Dort wurde dann auch die Fehldiagnose bestätigt – und die Therapie gestoppt.

Damit begann dann allerdings ein langes gerichtliches Verfahren um den Schadenersatz, auch das ein überaus nervenaufreibender Vorgang. Schlussendlich wurden ihr 70.000 Euro zugesprochen – für 13 Zyklen Chemotherapie und viele schreckliche und unnütze Monate im Krankenbett.

Wer also sollte dieses Buch, das passagenweise klischeehaft und ziemlich reißerisch geschrieben ist, lesen? In erster Linie Medizinerinnen und Mediziner, für die Krankheiten wie Krebs Normalität sind und die sich dessen nicht bewusst sind, in welchem Ausnahmezustand sich Menschen befinden, die eben erfahren, dass sie krank sind. Schön geschildert ist, wie wenig Laien mit den medizinischen Fachausdrücken zurechtkommen – und deshalb oft zu alternativen Heilern wechseln, weil dort allgemein verständlich gesprochen wird.

Die gute Seite

Bei dem Martyrium, das Schwarzenbacher hinter sich hat, gibt es auch eine gute Seite. Das falsch diagnostizierte T-Zell-Lymphom hat Schwarzenbachers Lebensweg verändert. Die ehemalige Stewardess hat ihren Job an den Nagel gehängt und Gesundheitswissenschaften studiert. Und dabei scheint sie ein neues Selbstbewusstsein entwickelt zu haben, das sie dieses Buch hat publizieren lassen. Es bleibt zu hoffen, dass ihre Schilderungen dazu führen, dass das Gesundheitssystem, Krankenhäuser und Ärzte mehr Wert auf eine gelungene Arzt-Patienten-Kommunikation legen. Sie ist genauso viel Wert wie eine korrekte Behandlung. Patientensicherheit ist für alle Beteiligten höchst erstrebenswert. (Karin Pollack, 5.12.2019)