21.600 Menschen sollen derzeit in Österreich wohnunglos sein.

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Wien/Innsbruck – Lange Unterhosen, Winterschuhe und Ohropax braucht die Wiener Gruft. Letzteres, weil es laut wird, wenn dutzende Menschen schnarchen und husten oder Sozialarbeiter zwischen den Betten herumlaufen, sagt Susanne Peter, leitende Sozialarbeiterin. Das, und noch über 100.000 Euro an Spendengeldern, sagt Caritas-Präsident Michael Landau. Am Mittwoch präsentierten die beiden gemeinsam mit Schauspieler Karl Markovics aktuelle Zahlen rund um die Obdachlosenversorgung und sprachen über Herausforderungen, für die die Politik verantwortlich ist. "Es ist beschämend, dass etwas, was Staatsaufgabe ist, auf die private Spendenseite abgewälzt wird", sagt Markovics, der damit die Mindestsicherungskürzung der letzten türkis-blauen Regierung meint.

Etwa 21.600 Menschen dürften aktuell in Österreich wohnungslos sein, die Dunkelziffer jener, die in versteckter Wohnungslosigkeit leben, ist unklar. Allein in Wien wandten sich heuer fast 8.000 Menschen mit Problemen rund ums Wohnen an die Caritas. Mit den sinkenden Temperaturen stocken NGOs jedes Jahr ihre Notbetten auf, die Caritas Wien erweiterte ihre 1.600 Beherbergungsplätze und Notunterkünfte um 200 Betten, die gesamte Wiener Wohnungslosenhilfe umfasst rund 6.800 Wohn- und Schlafplätze. Die Zahl der Klienten, die ins Betreuungszentrum der Gruft kommen, sei konstant hoch, heißt es von der Caritas. Die jährlich ausgegebenen Mahlzeiten hätten sich in den letzten 20 Jahren auf 121.000 fast verdoppelt.

Debatte um Bettelverbot in Wien und Innsbruck

Ausgerechnet ein Vorstoß aus der SPÖ, jener vom Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker, sorgt für Unmut beim Caritas-Präsidenten Landau. Hacker forderte, schärfer gegen organisiertes Betteln vorzugehen, und brachte damit ein Bettelverbot für Wien in die mediale Diskussion. In der ZIB2 erklärt Hacker am Mittwoch, dass die Stadt Wien kein Bettelverbot wolle und auch keines brauche. Wenn Bettler allerdings ausgenutzt würden, von Menschen die sie zum Betteln zwingen, dann sei er dafür dass diese abgeschoben werden.

"Betteln ist eine Wunde in der Gesellschaft", sagt Landau dazu, "und die gehört geheilt und nicht durch Wegschminken unsichtbar gemacht". Hacker wolle offenbar "mit Stimmung Stimmen machen". Tatsächlich regelt schon jetzt das Landesgesetz, dass Bettelei dann verboten ist, wenn sie etwa organisiert oder aufdringlich ist. Dem, so Landauer, stimme man zu: "Es gibt klare Regeln, man muss sie nur einhalten."

Ähnlich gelagert ist die Diskussion zum Thema in Tirol. Dort will der grüne Bürgermeister Georg Willi das Bettelverbot am Innsbrucker Ostermarkt aufheben, es steht auf der Agenda der Gemeinderatssitzung am 12. Dezember. Mit den Stimmen der SPÖ und der Liste für Innsbruck wäre das möglich, Letztere ließ ihre Entscheidung aber vorerst offen.

Tatsächlich aber wird der weitaus größte Teil der Strafen gegen Bettler ohnehin nicht wegen der Innsbrucker Verschärfungen im Bettelverbot ausgesprochen, sondern weil aggressives, gewerbsmäßiges und organisiertes Betteln per Landesgesetz verboten ist. Weiterhin aufrecht sind in Innsbruck außerdem ein Alkoholverbot und ein Nächtigungsverbot. (elas, ars, 4.12.2019)