Links Bodyguard Oliver R., hinten Johann Gudenus, vorne Heinz-Christian Strache – alle drei verbunden durch Ibiza. Hinten rechts Harald Vilimsky, der von den vorgeworfenen privaten "Rechnungsumwandlungen" Straches nichts mitbekommen haben will.

Foto: APA/Pfarrhofer

Es gäbe da womöglich etwas, das die Regierung und die Partei zerreißen könnte: Mit solchen Andeutungen soll Heinz-Christian Straches Leibwächter Oliver R. schon im April 2019 seine Kollegen alarmiert haben. Darunter Straches langjährige Assistentin Karin S., die den Vorgang in einer Einvernahme bei der Staatsanwaltschaft zu Protokoll gab. R. wollte "bald" seinem Chef darüber Bescheid geben. Im Mai 2019 präzisierte der Bodyguard dann, dass ein "Video mit blöden Aussagen" von Strache und dem damaligen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus existiere.

Was sich für die Mitarbeiter dadurch änderte? "Es hat mehr und längere Besprechungen, meistens bis spätabends, gegeben", so Karin S. zur Staatsanwaltschaft. Wenige Tage später, am 17. Mai, wurde das Video dann publik. Straches Mitarbeiter packten seine Sachen, wie S. erzählt – denn der einstige Vizekanzler soll nach seinem Rücktritt gar nicht mehr ins Ministerbüro gekommen sein.

ORF

Die Einvernahme der langjährigen Strache-Wegbegleiterin wirft Fragen darüber auf, wann der damalige Vizekanzler tatsächlich vom Ibiza-Video erfahren hat – und welche Schritte die FPÖ in den Tagen danach unternommen hat. Offiziell hieß es bislang, dass der damalige Vizekanzler durch eine Anfrage von "Süddeutscher Zeitung" und "Spiegel" zwei Tage vor der Veröffentlichung des Videos informiert wurde.

Leibwächter mit Hintermännern bekannt

Das Einvernahmeprotokoll stellt diese Angaben nun infrage. Wie mittlerweile klar ist, war Oliver R. schon lange mit den Hintermännern des Videos bekannt. Er soll belastendes Material über Strache gesammelt und mit seinem Anwalt M. versucht haben, es im Wien-Wahlkampf 2015 zu verkaufen – und zwar an die politische Konkurrenz. M. ist auch in die Causa Ibiza involviert, er sprach von einem "zivilgesellschaftlich motivierten Projekt".

Angeboten wurde von M. und R. beispielsweise das Foto einer Sporttasche voller Bargeld, das angeblich im Juni 2013 in Straches Auto aufgenommen wurde. Das Geld soll aus Osteuropa stammen. Die FPÖ schließt Geldflüsse an die Partei, aber nicht an Strache privat aus – dazu könne sie nichts sagen. Der einstige FPÖ-Chef lässt über seinen Anwalt ausrichten, dass er nur mehr "gegenüber der Staatsanwaltschaft Stellung beziehen und die Vorwürfe vollinhaltlich entkräften wird".

Foto: Faksimilie/Staatsanwaltschaft Wien

Straches einstige Assistentin ging in ihrer Einvernahme auch detailliert auf den Vorwurf falscher Spesenabrechnungen ein. Sie beschrieb ein Modell, dem zufolge Strache private Rechnungen "umgewandelt" und so Parteigeld für persönliche Ausgaben verwendet haben soll. Strache dementiert das vehement, er beschuldigt Bodyguard R., selbst Rechnungen gefälscht und "doppelt kassiert" zu haben. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

FPÖ hat sich nach Kassasturz "angeschissen"

Die Bundesgeschäftsstelle der FPÖ soll nach Ibiza einen Kassasturz gemacht und sich "angeschissen" haben, erzählt die langjährige Mitarbeiterin Straches der Staatsanwaltschaft. In einem abgehörten Telefonat mit Oliver R. soll sie gesagt haben, "der Harald hat immer gewusst, was sich abspielt, also" – gemeint ist Harald Vilimsky, seit dem Jahr 2006 Generalsekretär der FPÖ. Der sagt, ihm war klar, dass Strache ein "Sicherheitspaket" beziehe – also dass etwa Kosten für eine Alarmanlage abgerechnet wurden.

Auch bei Terminen mit parlamentarischem Bezug habe der FPÖ-Klub Spesen für Strache und dessen Team refundiert, so Vilimsky. Aber: "Wir haben keine Rechnung für eine Handtasche gefunden", so der ehemalige Klub-Finanzreferent und jetzige EU-Abgeordnete, "übrigens auch die Wiener nicht". "Die Wiener" lassen nun ihr Schiedsgericht prüfen, ob Strache aus der Partei ausgeschlossen werden sollte. Dazu haben sie den einstigen FPÖ-Chef selbst als Zeugen geladen. Da dieser gerade in "wärmeren Gefilden" weilt, ist eine Einvernahme vor nächster Woche nicht zu erwarten. (Renate Graber, Fabian Schmid, 4.12.2019)