Die Negativzinsen treiben seltsame Blüten.

Foto: imago

Keine Zinsen auf Guthaben sind des Sparers Leid. Bei Versicherungen und Banken ist die Notlage noch größer, weil sie überschüssiges Geld oft nur noch zu Negativzinsen veranlagen können. Auf der Suche nach Auswegen, um überschüssige Liquidität straffrei anzubringen, scheinen einige von ihnen eine kreative Idee entfaltet zu haben. Sie bunkern Geld bei jener Einrichtung, mit der man traditionellerweise eher wenig Verbindungen sucht: beim Finanzamt.

Auf entsprechende Entwicklungen hat Finanzminister Eduard Müller aufmerksam gemacht. Unternehmen zahlten mehr auf die Konten des Fiskus ein als notwendig, erklärte er im Budgetausschuss. Das sei ein Novum, zumal bisher offene Forderungen eingemahnt werden mussten. Mittlerweile würden Vorauszahlungen getätigt, die vom Finanzamt gar nicht eingefordert werden.

41 Betriebe geprüft

Müller blieb zwar vage, doch offenbar hat er die Sache schon prüfen lassen. Dabei stellte sich heraus, dass 41 Unternehmen über eine Gutschrift von mehr als 100.000 Euro beim Finanzamt verfügten. In Summe haben diese Betriebe 900 Millionen Euro beim Staat gebunkert, heißt es dazu aus dem Finanzministerium. Allerdings ist es durchaus möglich, dass ein Teil davon auf höhere Gewinne zurückzuführen ist. Das lässt sich nicht genau sagen, Experten schätzen, dass mehr als ein Drittel der Gutschriften primär Veranlagungszwecken diene.

Finanzminister Eduard Müller berichtet von höheren Gutschriften.
Foto: Matthias Cremer

Es geht dabei um die Körperschaftsteuer, die im Voraus zu bezahlen ist. Unheikel sind hohe Vorauszahlungen nicht. "Das darf nicht ausgereizt werden", sagt Thomas Strobach, Partner bei der Steuerberatungsgruppe PwC. Die Finanzämter wollen mit den Banken und Versicherungen einvernehmliche Lösungen erarbeiten. Wenn das nicht gelingt, erfolgt die Rückzahlung der Gutschrift per Bescheid, so das Ministerium.

Zinsen im Folgejahr möglich

Zinsen fallen dabei bis zum 1. Oktober des Folgejahres nicht an. Erst von diesem Stichtag an wirft die Gutschrift eine stattliche staatliche Rendite ab – bis zur Erstellung eines Bescheids. Doch allein der Umstand, dass keine Strafzinsen bezahlt werden müssen, scheint verlockend zu sein.

Sollte die Gutschrift über den Termin hinaus bestehen, kommt auch ein Zinssatz von zwei Prozentpunkten über dem Basissatz von derzeit minus 0,62 Prozent zur Anwendung. Die Anspruchszinsen liegen somit bei ungefähr 1,4 Prozent. Das kann sich bei großen Beträgen lohnen, zumal Steuerberater von gewissen Tricks berichten. In normalen Zeiten wurde eine Aussetzung höherer Steuern beantragt, wenn die Betriebsprüfer zuschlagen und übermäßige Optimierungen monieren. Jetzt wird häufiger gleich bezahlt.

Deutsche Banken preschen vor

Bekommt der Steuerpflichtige dann beim Bundesfinanzgericht recht, fließt das Geld samt Verzinsung zurück. Bei der Arbeitnehmerveranlagung ist das Bunkern von Guthaben weniger bis gar nicht verbreitet, meinen Experten. Dafür seien die Beträge zu gering, so der Tenor. Mit der Veranlagung – salopp Steuerausgleich genannt – kann man sich fünf Jahre Zeit lassen, um Absetzposten wie Werbekosten oder Sonderausgaben geltend zu machen.

Im Bankenbereich schlagen die Negativzinsen immer stärker zu. In Österreich schützt zwar ein Höchstgerichtsurteil die Sparer vor Abzügen, in Deutschland breiten sich diese hingegen aus. Mit der VR-Bank Westmünsterland verlangt ein weiteres Kreditinstitut Strafzinsen von Privatkunden – und zwar ab dem ersten Euro. (Andreas Schnauder, 4.12.2019)