Im Gastkommentar anlässlich des internationalen Tags des Ehrenamts sieht Rosenbauer-CEO Dieter Siegel auch Unternehmen gefordert, für einen sinnvollen Interessenausgleich zu sorgen.

Mehr als 4.500 freiwillige Feuerwehren legen ein dicht geknüpftes Sicherheitsnetz über Österreich.
Foto: APA/FF Oberloisdorf

Österreich ist traditionell ein Land der Helfer. Mehr als 50 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher über 15 sind ehrenamtlich tätig, doppelt so viele wie im europäischen Durchschnitt. Das Engagement verteilt sich sehr gleichmäßig über alle Bundesländer und Altersgruppen. Kaum ein Land verlässt sich in so hohem Maß auf die eigenen Bürger und deren unentgeltliche Leistungen, wenn es um eigentliche Staatsaufgaben geht: Enorme 14 Prozent sind in den sogenannten Blaulichtorganisationen Zivilschutz, Rettungsdienst, Brand- und Katastrophenschutz freiwillig und ohne Bezahlung tätig.

Eine Selbstverständlichkeit

Der Staat delegiert diese Aufgaben nicht leichtfertig, sondern weil er sich auf die Leistungsfähigkeit und die professionelle Organisation der Freiwilligen verlassen kann. Bei Rettungsdiensten ist Österreich vorbildlich, und mehr als 4.500 freiwillige Feuerwehren legen ein flächendeckend dicht geknüpftes Sicherheitsnetz über Österreich.

Feuerwehr und Rotes Kreuz gehören so zum Alltagsbild, dass ihre Existenz und ihr Funktionieren für die Bevölkerung zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Leicht übersieht man, dass es sich hier um ein gesellschaftliches Phänomen handelt, das außerhalb Mitteleuropas nur wenig verbreitet ist und um das wir zu Recht beneidet werden. Seit über 150 Jahren bestehen die Organisationen, und es gilt, sie auch für die Zukunft abzusichern.

Rahmenbedingungen stärken

Aus diesem Grund wurde in diesem Jahr die "Zivilschutzagenda Österreich" ins Leben gerufen, die es sich mit den Gründungsmitgliedern Kuratorium Sicheres Österreich, Bundesfeuerwehrverband, Österreichisches Rotes Kreuz und der Firma Rosenbauer zum Ziel gesetzt hat, die Rahmenbedingungen für die freiwilligen Einsatzorganisationen zu optimieren, das Bewusstsein für ihren gesellschaftlichen Wert in der Bevölkerung zu stärken und die Organisationen zukunftsfit zu halten.

Man muss das "Helden des Alltags"-Klischee nicht bemühen, um die Relevanz der Freiwilligenarbeit zu verdeutlichen. Einige Fakten genügen. Am Beispiel der Feuerwehr: 98 Prozent der österreichischen Fläche werden von Freiwilligen gesichert, nur die sechs größten Städte des Landes verfügen über eine Berufsfeuerwehr. Die fast 5.000 Standorte garantieren im ganzen Land eine Einsatzzeit von unter 15 Minuten vom Alarm bis zum Eintreffen am Schadensort. Ein vergleichbares Leistungsniveau wäre durch Berufsorganisationen niemals flächendeckend darstellbar. Man könnte die nötigen Mitarbeiter nicht rekrutieren, geschweige denn finanzieren, sind doch 90 Prozent der Kosten einer Berufsfeuerwehr Personalkosten, Pensionen nicht mitgerechnet.

Ein Marktversagen

Das Rettungs- und Feuerwehrwesen zeigt, wie die österreichische Gesellschaft ein Marktversagen durch unentgeltliche Eigenleistung kompensiert und die Menschen das Erhalten von Gesundheit und aufgebauten Werten im Land nicht der Staatsgewalt rückdelegieren, sondern ein hohes Maß an Eigenverantwortung leben. Das erhöht die Resilienz und Steuerbarkeit des Systems.

Wenn wir nun akzeptieren, dass unser System das beste und billigste ist, sollten wir darüber nachdenken, was es uns wert ist. Die Zivilschutzagenda Österreich steht mit den Verantwortlichen der Politik im Dialog, um konkrete Verbesserungen zu erreichen. Über allen Forderungen steht, dass das System im Kern unentgeltlich und freiwillig ist und bleiben soll. Die Freiwilligen sind sich, was die Motivation für ihre eigene gemeinnützige Tätigkeit betrifft, selbst genug. Sie brauchen aber Rahmenbedingungen, die ihnen aus ihrer Tätigkeit zumindest keine Nachteile erwachsen lassen. Und etwas zusätzliche Anerkennung ist auch kein Schaden.

Beispielhaft sind daher folgende Punkte anzuregen: mehr Wertschätzung für das Ehrenamt und seine Unterstützer, zum Beispiel durch ein erweitertes Ehrenamtsgütesiegel; die Erleichterung des Zuganges zu ehrenamtlichen Tätigkeiten, etwa die unbürokratische Kompensation für Betriebe, die im Großschadensfall Mitarbeiter freistellen; ein ausreichender Versicherungsschutz für die Einsatzkräfte; eine stärkere Förderung von Forschungsprojekten und Einbindung von Einsatzorganisationen in die angewandte Forschung, Geldmittel für neue Herausforderungen wie E-Mobilität, um Einsatzorganisationen zukunftsfit zu machen für Innovation und neue Technologien.

Sinnvoller Interessenausgleich

Neben der Politik tragen aber auch die heimischen Unternehmen als Teil der Zivilgesellschaft Verantwortung für den Erhalt dieses Freiwilligensystems. Denn Katastrophen sind nicht vorhersehbar. Der überwiegende Anteil der österreichischen Einsatzkräfte ist ehrenamtlich tätig, sodass ein sinnvoller Interessenausgleich zwischen den freiwilligen Helferinnen und Helfern und ihren Arbeitgebern gefunden werden muss. Jedes Unternehmen – ob internationaler Konzern oder KMU – kann einen Beitrag leisten, die Möglichkeiten sind vielfältig.

Diese reichen von Dienstfreistellungen bei Entgeltfortzahlung über die Zurverfügungstellung von Parkplätzen in nächster Nähe für Mitarbeiter in Bereitschaftsdienst bis hin zur Anerkennung von ehrenamtlich erworbenen Zusatzqualifikationen. Schließlich ist die Förderung von ehrenamtlichen Einsatzkräften nicht nur eine zivilgesellschaftliche Wohltat, sondern liegt auch im Eigeninteresse von Unternehmen. Wenn die Werkshallen eines österreichischen Betriebs in Flammen oder Teile des Firmengeländes unter Wasser stehen, rückt die Feuerwehr aus, um zu helfen – in den allermeisten Fällen sind es ehrenamtliche Feuerwehrmänner und -frauen. (Dieter Siegel, 5.12.2019)