Der Angeklagte Mathias L. steht auch nach seinem Prozess wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz noch im Scheinwerferlicht. Warum, ist ihm nicht ganz klar.

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Wien – "Ich versteh die Hysterie nicht, es war nur ein Missverständnis", sagt Mathias L. nach seinem Prozess zu Medienvertretern. Der 39 Jahre alte Physikstudent war im Oktober mit seiner Glock im Hosenbund zu einer Vorlesung an der Universität Wien erschienen und hatte Kommilitonen dadurch so beunruhigt, dass die den Sicherheitsdienst alarmierten.

Nun sitzt der schlaksige Mann, der ausdrucksmäßig eine gewisse Ähnlichkeit mit Klaus Kinski hat, wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz vor Richterin Claudia Bandion-Ortner im überfüllten Saal 302 des Wiener Straflandesgerichts.

"Warum brauchen Sie überhaupt eine Waffe?", will die Richterin vom Unbescholtenen wissen. L. bietet eine überraschende Antwort. Als er noch Chemie studiert habe, sei es 2014 in einem Labor zu einem Unfall gekommen, bei dem er sich vergiftet hat. Die Folge waren neurologische Einschränkungen in der linken Hand. "Ich habe allerhand Geschicklichkeitsübungen gemacht. Mein Vater hat auch eine Waffe, und er hat gesagt, ich soll es einmal probieren"; erklärt er. "Sie kaufen sich eine Waffe aus physiotherapeutischen Gründen?", ist Bandion-Ortner verblüfft.

"Euer Ehren" versus "Frau Rat"

Kurz darauf sagt der Niederösterreicher allerdings wieder, er habe sich schon als Jugendlicher dafür interessiert. Bei seinem Präsenzdienst habe er als Sanitäter gearbeitet, und bei Schießübungen des Heeresabwehramtes habe ihm ein Heeresspion die Handhabung genauer erklärt. Die Richterin will den Namen des Mannes wissen, L. weiß ihn nicht mehr. "Sie müssen entschuldigen, euer Ehren." – "Wir sind nicht in den USA, Frau Rat genügt vollkommen", belehrt Bandion-Ortner ihn.

Nachdem er die Glock-Pistole gekauft hatte, erwarb er eine Waffenbesitzkarte und einen Waffenführerschein. "Es ist mir zum Verhängnis geworden, das Wort Waffenführerschein. Ich dachte, das berechtigt mich zum Tragen", entschuldigt sich der Angeklagte.

Bandion-Ortner kommt noch einmal auf sein Motiv zurück. "Also hatten Sie keine Sicherheitsgründe für die Waffe? Sie haben sie nicht aus Angst getragen?" – "Nein." – "Bei der Polizei haben Sie das nämlich noch gesagt." – "Das war im Affekt." – "Und warum gehen Sie dann mit der Waffe in die Uni?" – "Ich habe schon lange probiert, mich zum Schießen anzumelden", erklärt er. "Ich habe einfach gedacht, ich kann eine Runde schießen nach der Uni." Einen Ort oder Termin hatte er dafür allerdings noch nicht, wie er auf Nachfragen der Staatsanwältin zugibt.

Technische Hürden bei Übung

Entdeckt sei die Waffe worden, da es an diesem Tag sehr heiß gewesen war und er sein Hemd ausgezogen hatte. Dann sei er im Hörsaal herumgegangen, da die Lösungen für eine Übung im Smartphone eingetragen werden mussten und er als Techniklaie von den Mitstudentinnen und -studenten erfahren wollte, wie das geht.

Die Unbedarftheit in moderner Computertechnologie sei auch schuld, dass gegen ihn Ermittlungen wegen Verhetzung laufen, behauptet der Angeklagte. Er sei im Sommer 2017 kurzfristig auf dem Kurzmitteilungsdienst Twitter gewesen, habe aber erkannt, "dass das ein Bledsinn" sei. Danach sei er gehackt worden, als er eine Mail mit einem 20-Prozent-Rabattangebot eines großen Onlinehändlers anklickte.

"Meine Rechtspraktikantin hat sich ihren Twitter-Account angeschaut und dabei eine Nachricht von 24. Februar 2018 gefunden. War die von Ihnen?", fragt Bandion-Ortner. "Das kann ich ausschließen." Interessanterweise werden in dem Beitrag auf Englisch die Voraussetzungen für einen Waffenerwerb in Österreich behandelt. L. bleibt dabei, der Eintrag stamme nicht von ihm. "Über Politik und Religion äußere ich mich in sozialen Medien nicht", stellt der Angeklagte fest, dem Islam stehe er neutral gegenüber.

Tags darauf mit Messer erschienen

Was Bandion-Ortner beunruhigt, ist die Tatsache, dass er einen Tag nach dem Vorfall auf der Uni neuerlich eine Waffe dabei hatte, diesmal ein Messer mit Zehn-Zentimeter-Klinge. Das habe er schon seit Jahren, verrät L., man könne das immer wieder brauchen, um Verpackungen zu öffnen oder irgendetwas abzuschaben. "Sie haben an der Uni ja jetzt ein Hausverbot. Wie wollen Sie jetzt zu Ende studieren?", interessiert die Richterin auch. Wie sich herausstellt, ist der Angeklagte an einer anderen Hochschule inskribiert, die Universität Wien besuchte er nur wegen der mathematischen Ausbildung.

"Was soll ich mit Ihnen machen? Ich habe schon den Eindruck, dass Sie gewisse Probleme haben", ist Bandion-Ortner am Ende etwas ratlos. "Wurden Sie schon einmal von einem Psychiater untersucht?" – "Ja, vor einigen Jahren, wegen meiner schweren Schlafstörungen. Der Psychiater hat aber gesagt, dass ich keine psychischen Probleme habe."

L. möchte noch, wie er am Vortag in einer sechsseitigen Mail an die Richterin angekündigt hat, eine Bekannte als Charakterzeugin zu seinen Gunsten aussagen lassen. "Ja, ich weiß, Sie haben mir geschrieben, dass Sie ihr in den Mantel geholfen haben, als Sie erkannten, dass sie krank ist", erinnert sich die Richterin, ehe sie den Antrag mangels Relevanz ablehnt.

Computerführerschein als nächster Schritt

In seinem Schlusswort kündigt der Angeklagte noch an, er plane gemeinsam mit seiner Bekannten, den Computerführerschein zu machen, um seine technologischen Defizite speziell im Bereich der IT-Sicherheit auszugleichen.

Bandion-Ortner verurteilt L. schließlich zu acht Monaten bedingter Haft. Zusätzlich erteilt sie ihm die Weisung, einen Psychiater aufzusuchen und eine Therapie zu machen, falls der Arzt das für notwendig hält. "Ich hab ein bissl ein ungutes Gefühl bei Ihnen", begründet sie die nicht rechtskräftige Entscheidung. (Michael Möseneder, 5.12.2019)