Das Künstlerpaar Jella Jost und Walter Mathes wohnt in einem Kleingartenhaus aus Holz in Wien-Penzing. Hier lauschen sie im Winter der Stille und schauen auf einen gelben Alien.

"Früher wohnten wir in einer Altbauwohnung im vierten Bezirk. Nach zwei Kindern wurde mir das zu laut. Da erwachte in mir die Sehnsucht nach einem Rückzugsort. Ich brauchte Stille.

Jella Jost und Walter Mathes mit Hündin Daisy in ihrem Haus im 14. Bezirk.
Foto: Lisi Specht

Auf einem Immobilienportal sah ich 2010 dieses kleine Holzhaus in einem privaten Kleingarten. Wir sind sofort hergefahren. Ich habe schon viele Häuser gesehen. Aber als ich aus dem Taxi stieg, habe ich plötzlich am ganzen Körper gezittert. Ich hab gesagt: ‚Du, Walter, das hatte ich noch nie. Ich glaub, das wird was.‘

So war es auch. Es war ohne Kopf, eine reine Bauchentscheidung. Wir haben also gekauft, viel Arbeit in dieses Haus gesteckt und es aus- und umgebaut.

Dann war es fertig, die Kinder drinnen, alles da. Und ich bin klassisch zusammengebrochen. Wir haben uns auf allen Ebenen komplett verausgabt und erschöpft. Eine Zeitlang ging nichts mehr.

Aber wir haben uns helfen lassen. Heute geht es uns wieder gut. Diesen Preis würde ich jedoch nicht noch einmal zahlen. Ich würde vorher meinen Kopf einsetzen. Aber wie will man den Kopf einsetzen, wenn man sich in jemanden verliebt? Und ich habe mich in dieses Objekt verliebt. Das Drama folgt immer erst nachher – die dunklen Seiten, die jedes Lebewesen und jeder Gegenstand hat. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern viele Farben.

Die Treppe war dem 500-Kilo-Klavier nicht gewachsen.
Fotos: Lisi Specht

Apropos: Die Farben haben uns Spaß gemacht. Im Wohnbereich haben wir uns für rote Wände entschieden, für mein Zimmer oben habe ich blau ausgesucht. Ursprünglich wollten wir die Möbel aus unserer Altbauwohnung hier reinstellen. Aber es hat nicht gepasst.

Drei Viertel der Möbel und die meisten Bücher haben wir hergegeben, sogar mein Klavier verkauft. Als wir einzogen, haben nämlich die Klaviertransporteure die schmale Stiege hinauf in mein Zimmer gesehen und gestreikt. Wahrscheinlich wäre die Treppe bei dem 500-Kilo-Klavier ohnehin zusammengebrochen. Wir haben einige alte Möbel, die ich von meinen Eltern geerbt habe. Kommoden, eine Kredenz, Bilder. Ansonsten haben wir vieles secondhand erstanden. Draußen auf der Terrasse steht derzeit noch ein alter Bauerntisch, er ist zum Verschenken. Will den wer?

Mittlerweile wohnen wir hier nur noch mit unserem Sohn und unserem Hund Daisy. Unsere Tochter ist bereits ausgezogen. Uns ist beim Wohnen wichtig, dass jeder ein eigenes Zimmer hat. Da ziehen wir uns zurück und machen die Tür zu.

Manche Gäste sagen, dass sie es bei uns eher chaotisch finden, weil so viele kleine Sachen herumstehen. Wenn ich könnte, würde ich gern traditionell japanisch wohnen, ganz minimalistisch, damit der Kopf leer wird und ausgerichtet auf die notwendigen Dinge des Lebens wie schlafen, Tee trinken, essen, lauschen.

Das Interieur von Jella Jost und Walter Mathes besteht aus alten Familienerbstücken und Secondhandmöbeln. Eigentlich würde die Künstlerin aber gern traditionell japanisch und minimalistisch wohnen.
Fotos: Lisi Specht

Unbedingt notwendig ist für mich der Bezug zur Erde. Sonst verkümmere ich. Ich grabe im Frühjahr im Garten mit meinen bloßen Händen. Im Sommer hört man aus dem Stadion manchmal 10.000 Menschen schreien. Im Winter ist es still. Im Rapid-Stadion brennt dann oft ein gelbes Licht für den Rasen. Dann schaut es aus wie ein Alien. Im Nebel ist das Licht gelb verschwommen. Das ist wunderschön.

Wir haben in diesem Haus noch viele Projekte so wie alle Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer. Als Nächstes sind Dach, Dachrinne und ein Zeichenhäuschen für meinen Mann dran. Ein eigenes Haus hat schon Vorteile – aber eine Wohnung auch. Dort hat man weniger Verpflichtungen.

Ich hab mir vor langer Zeit ein Buch über wunderschöne Holzhäuser gekauft. Davon habe ich früher immer geträumt. Irgendwann, als wir hier längst eingezogen waren, habe ich erkannt: Jetzt hast du das! Aber man gewöhnt sich so schnell an alles. An die schönen Dinge und an die unschönen. Ich versuche mir immer wieder bewusstzumachen, dass dieses Haus ein glücklicher Zufall war. Wir möchten hier noch lange bleiben. Es ist wunderbar so." (9.12.2019)