Taylor Winterstein ist Impfkritikerin und hat ein gesundes Selbstbewusstsein. Die in Samoa geborene und in Australien lebende Frau gibt der Regierung von Samoa die Schuld an den mittlerweile mehr als 50 Maserntoten. Die Regierung des pazifischen Eilands hätte es verabsäumt, so Wintersteins krude These, die Bevölkerung mit ausreichend Vitamin A zu versorgen. Versorgt hat Winterstein seit geraumer Zeit die Bevölkerung von Samoa allerdings auch – mit kruder und emotional aufgeladener Anti-Impfpropaganda. Sie zieht mit ihrem Programm "Making Informed Choices" durch Städte in Ozeanien, unter anderem um die Menschen zu einem "freien Impfentscheid zu ermutigen und die Leute über Impfschäden aufzuklären." Dass eine Frau wie Winterstein auf einer Insel im Pazifik gehört wird, kommt nicht von ungefähr.

Taylor Winterstein

Winterstein: Ein Avatar, wie aus dem Bilderbuch

Müsste eine Werbeagentur einen Avatar für eine Influencerin kreieren, die in Ozeanien einen Kreuzzug gegen das Impfen startet, dann käme etwa so etwas raus: eine attraktive  Frau in den besten Jahren, die nebenbei ihre Mutterschaft zelebriert, auf ihrem stylischen Blog "Tay's Way Movement" und auf Instagram für Hausgeburten wirbt, Tipps für ein natürliches Leben bereit hält und das eine oder andere Nahrungsergänzungsmittel anpreist. Sie ist mit einem feschen samoanischen Rugby-Superstar verheiratet, der zwar im Sport hart im Geben ist, aber seiner Taylor den Bottich für die sanfte Wassergeburt im Haus einlässt. Der Haken an der Geschichte: Winterstein ist kein Avatar, sie ist echt, ebenso wie ihr "Erfolg" in Samoa. Die aparte Influencerin und Impfgegnerin hat dazu beigetragen, dass Seuchen Fuß fassen konnten.    

Weltweit unterwegs in Sachen Seuchen: Taylor Winterstein.

Katastrophal schlechte Impfrate in Samoa

Von den rund 200.000 Einwohnern des überschaubaren Eilands ist mittlerweile mehr als jeder Hundertste an Masern erkrankt. Mehr als 50 Menschen sind mittlerweile an der Seuche verstorben, vornehmlich ungeschützte Kinder, eine Familie trauert gar um drei tote Kinder. Die Impfrate bei Kindern unter fünf Jahren ist laut WHO in den vergangenen vier Jahren kollabiert, von 84 auf 31 Prozent – das ist einer der weltweit niedrigsten Werte. Die Regierung hat den Notstand wegen der Masern ausgerufen, die das Eiland nicht ganz überraschend heimsuchen. Winterstein hatte sich im Juni des Jahres in Apia (der Hauptstadt Samoas) angesagt, um mit ihrer "Make Informed Choices"-Show die Werbetrommel der Seuchenfreunde zu rühren. Das Spektakel wurde auf Druck der Regierung Samoas abgesagt. Das samoanische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fanden bereits vor einem halben Jahr klare Worte: "Diese Frau ist eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit in Samoa." Das war Monate vor dem Ausbruch der Masernepidemie.  

Eine Gefahr für die Gesundheit.
Foto: instagram.com/tays_way_/

Die kruden Thesen Wintersteins für eine "sanfte und natürliche Heilung" der Masern mit Vitaminen fielen auch bei Bewohnern der Insel auf fruchtbaren Boden. Der samoanische Bauer Edwin Tamasese – einer der Wortführer der samoanischen Seuchenfreunde – postet noch am 5. Dezember ein Rezept gegen Masern auf Facebook: "1000 Milligramm Vitamin C in Wasser aufgelöst alle 3 Stunden als Getränk. Das wird unsere Kinder retten." Tamasese wurde am 5. Dezember wegen seines radikalen Widerstands gegen die Bemühungen der samoanischen Regierung, die Masern zu bekämpfen, verhaftet. 

Samoanischer Impfgegner aus Wintersteins Spuren: Vitamine helfen bei Masern.
Screenshot: Facebook

#NaziSamoa

Winterstein ist trotz der menschlichen Katastrophe in Samoa zu geschmacklosen Vergleichen bereit. Die aktuellen Maßnahmen der Regierung zum Durchimpfen der Bevölkerung vergleicht sie unter dem Hashtag #NaziSamoa mit Methoden der Nationalsozialisten. Die Stiftung Gurutest verzichtet angesichts der Tragödie in Samoa auf eine launige Sternderlbewertung. Sie kann aber nicht ganz umhin, den Seuchenfreunden hierzulande ein Fernreise in den Pazifik zu empfehlen, um mit eigenen Augen zu sehen, was "Impfkritik" in letzter Konsequenz bedeutet: tote Kinder. (Christian Kreil, 9.12.2019)

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