Die Masernzahlen steigen: In einer globalisierten Welt kann sich die hochansteckende Erkrankung sehr schnell ausbreiten.

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Nach großen Erfolgen bei der Bekämpfung der Masern breiten sie sich derzeit weltweit wieder aus. Rund 140.000 Menschen sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im vergangenen Jahr an der hochansteckenden Krankheit gestorben, zumeist Kinder unter fünf Jahren.

Auch in Österreich gab es heuer laut Gesundheitsministerium 148 Masernfälle. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 77 Fälle, 2017 erkrankten 64 Personen, und im Jahr davor waren es 21. Die WHO schätzt, dass 86 Prozent der Kinder eine erste Impfung erhalten, nur rund 70 Prozent dann aber die empfohlene zweite Dosis. Nach WHO-Angaben ist eine Impfrate von 95 Prozent mit zwei Dosen in jedem Land nötig, um die Bevölkerung vor der Krankheit zu schützen.

Schützenhöfer und Mikl-Leitner fordern Impfpflicht

Nach dem jüngsten Masernfall in der Steiermark sprachen sich am Freitag der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner für eine Impfpflicht aus. In einer Schule in Knittelfeld wurde zuletzt 20 Kindern ohne Impfnachweis für die nächsten drei Wochen ein Schulverbot erteilt. Mikl-Leitner sagte im Ö1-"Morgenjournal", sie könne sich eine verpflichtende Regelung über den Mutter-Kind-Pass vorstellen. Auch die österreichische Ärztekammer erneuerte ihre Forderung einer generellen Impfpflicht. Diese gilt derzeit in neun europäischen Ländern, etwa Kroatien, Tschechien, Frankreich und Ungarn. Auch in Deutschland hat die Regierung im Sommer einen entsprechenden Gesetzesentwurf beschlossen.

Gesundheitsministerin Brigitte Zarfl verwies gegenüber dem ORF auf die laufende Novellierung des Epidemiegesetzes, das eine Masern-Impfpflicht für im Gesundheitsbereich tätiges Personal vorsieht. Was die Durchimpfungsraten in der Bevölkerung betrifft, wolle die Regierung auf verstärkte Aufklärung und Erinnerung setzen. Die Gesetzesnovelle sieht auch vor, dass vor dem Eintritt in den Kindergarten oder die Volksschule überprüft wird, ob Kinder die im Impfprogramm vorgesehenen Impfungen erhalten haben. Ist dies nicht der Fall, ist ein neuerliches Arztgespräch vorgesehen, erläuterte Zarfl. Auch der geplante elektronische Impfpass soll eine Erinnerungsfunktion für versäumte Impfungen enthalten.

Die Bundesländer Salzburg, Wien, Kärnten und Burgenland reagierten bisher zurückhaltend bis skeptisch auf eine Impfpflicht.

International steigen die Zahlen wieder

Die Zahl der Todesopfer ist weltweit im Langzeitvergleich zwar gesunken, im Jahr 2000 erlagen noch mehr als 535.000 Menschen der Krankheit. Seit kurzem steigen die Zahlen jedoch wieder. So gab es 2018 den WHO-Schätzungen zufolge rund 16.000 Maserntote mehr als 2017. Vor allem im Kongo verbreiten sich die Masern vielerorts. Ein Grund ist laut der WHO eine zu niedrige Impfrate. Experten beklagen unter anderem Lücken in der Versorgung mit den Impfstoffen. Auch in Österreich nehmen die Erkrankungen zu.

Ähnlich wie die Todeszahlen veränderten sich zuletzt auch die geschätzten Infektionen, die nach einem drastischen Rückgang ebenfalls wieder angestiegen sind. Nach WHO-Schätzungen gab es 2018 knapp 9,8 Millionen Masernfälle, im Jahr davor fast 7,6 Millionen.

Auch Hirnentzündungen möglich

Zu den Masernsymptomen zählen ein Ausschlag auf der Mundschleimhaut und die charakteristischen bräunlich-rosafarbenen Hautflecken. Die Infektion schwächt vorübergehend das Immunsystem, sodass es leichter zu Mittelohrentzündung, Bronchitis, Lungenentzündung oder Durchfall kommt. Eine besonders gefürchtete Folge sind bestimmte Hirnentzündungen, die tödlich enden können.

Da in vielen Ländern keine Meldepflicht besteht, wird laut WHO nur ein Bruchteil der Masernfälle bekannt. Die weitaus meisten Ansteckungen wurden 2019 bis Mitte November aus dem Kongo gemeldet. Die Behörden gehen davon aus, dass allein dort mehr als 5.000 Menschen an Masern gestorben sind, weit mehr als beim Ebola-Ausbruch seit Sommer 2018 mit rund 2.200 Toten bisher.

Hotspots Ukraine und Kongo

In Europa kam es in der Ukraine zu einem großen Ausbruch mit fast 57.000 gemeldeten Fällen. Auch in Liberia, Madagaskar und Somalia gibt es große Probleme mit Masern. Auf diese fünf Staaten entfällt letztlich fast die Hälfte aller gemeldeten Masernfälle. Auch in den USA – die einst als masernfrei galten – ist die Tendenz wieder steigend, das Land verzeichnete so viele Fälle wie seit 25 Jahren nicht mehr. Seit der vergangenen Woche sind zudem im polynesischen Inselstaat Samoa bisher 62 Menschen bei einem Masernausbruch gestorben.

"Wenn Kinder nicht geimpft werden, gefährdet dies ihr ganzes Umfeld", sagte Unicef-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. "Dies beobachten wir derzeit in der Demokratischen Republik Kongo, wo in diesem Jahr bereits mehr als 4.500 Kinder unter fünf Jahren starben."

Impfen schützt

"Die Gesundheitssysteme sind in manchen Ländern sehr geschwächt. Da gibt es dann oft Lücken in der Versorgungskette, insbesondere beim Masernimpfstoff", sagte Marcus Bachmann, für die Organisation Ärzte ohne Grenzen zuletzt mehrmals Einsatzleiter im Kongo. Der Masernimpfstoff müsse bis zur Verabreichung außerdem permanent gekühlt werden, auch das sei in vielen Ländern eine große Herausforderung.

Speziell im Kongo stehe zudem der Kampf gegen Ebola im Mittelpunkt, was sich auch finanziell deutlich bemerkbar mache. "Die Menschen vor Ort können dieses Ungleichgewicht gar nicht verstehen. Sie haben große Sorgen wegen der Masern, weil die ihre Kinder oft töten", sagte Bachmann. Für das kommende Jahr gebe es wenig Grund für Optimismus, so Bachmann. Die typischen Probleme in einigen Ländern – schlechte Überwachung und zu langsame Prüfung neuer Fälle, fehlende Impfungen und grundsätzlich Unsicherheit durch Konflikte – ließen sich schließlich nicht "von heute auf morgen" lösen.

"Die Tatsache, dass ein Kind aufgrund einer Krankheit wie Masern stirbt, der durch Impfung vorgebeugt werden kann, ist offen gesagt ein Frevel und ein kollektives Versagen beim Schutz der Verletzlichsten", sagte Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO. Der Organisation zufolge sind die Impfraten im vergangenen Jahrzehnt aber weltweit konstant geblieben. (APA, db, 6.12.2019)