In lehre befindliche Asylwerber beschäftigen die Politik seit Jahren. Für die Grünen stellt sich nun die Frage, ob sie den harten Kurs der ÖVP mittragen.
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Betont harmonisch läuft es dieser Tage bei den Koalitionsverhandlungen zwischen der ÖVP und den Grünen ab. Doch der zur Schau getragene Vorkoalitionsfriede könnte schon bald auf die Probe gestellt werden. In der nächsten Nationalratssitzung am Mittwoch werden einige Anträge aus dem Budgetausschuss vom vergangenen Dienstag abgestimmt. Darunter auch eine Problematik, die symbolisch für den türkis-grünen Knackpunkt Migration steht: der Umgang mit Asylwerbern in Lehre. Ein Leibthema der Grünen, allen voran des oberösterreichischen Integrationslandesrats Rudi Anschober.

"Augenauswischerei"

Ein ÖVP-Antrag wurde im vorbereiteten Ausschuss zwar von Grünen, SPÖ wie auch Neos unterstützt. Allerdings nur deshalb, weil die ÖVP zusicherte, noch gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Das Problem: Die Gesetzesnovelle sieht nur eine Aufschiebung der Abschiebung vor – und zwar, bis die Lehre abgeschlossen wird. Ein negativer Asylbescheid wird dadurch aber nicht aufgehoben, und es wird auch keine Basis für ein weiteres Aufenthaltsrecht nach der Lehre geschaffen. Das kritisierten nicht nur SPÖ und Neos, auch Christian Konrad und Ferry Maier, die Initiatoren der Allianz "Menschen Würde Österreich", bezeichneten die Regelung als "Augenauswischerei". Einem Unternehmen bringe es nichts, Zeit und Geld in einen Lehrling zu investieren, der abgeschoben werde. Rund 800 Lehrlinge wären derzeit von einer solchen Gesetzesänderung betroffen.

Die Flüchtlingsreferenten der Bundesländer tagen am Freitag in Wien und befassen sich mit dem umstrittenen Thema Asyl und Lehre.
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Die anderen Fraktionen wollen durchaus eine Art Bleiberecht vorschlagen. So fordert die SPÖ, dass es Asylwerbern nach abgeschlossener Lehre möglich sein sollte, sich um eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu bewerben. Die Neos wünschen sich eine Regelung nach Vorbild des deutschen "2+3"-Modells, bei der Asylwerbern nach der dreijährigen Lehre erlaubt wird, weitere zwei Jahre im erlernten Beruf zu arbeiten. Freilich drängen auch die Grünen auf Verbesserungen. Anschober bezeichnete den ÖVP-Vorschlag als "Trägerantrag", der noch deutlich nachgebessert gehöre. Man habe eigentlich den Vorschlag der Neos präferiert, wolle aber die Situation für die Betroffenen schnellstmöglich verbessern, meinte die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli.

Grüne beäugt

Umso argwöhnischer achten die Mandatare der SPÖ, FPÖ und Neos nun darauf, wie sich die Grünen nächste Woche bei der Abstimmung im Plenum verhalten. Scharf kritisiert wurde auch ein türkis-grüner Gesetzesvorschlag zur einmaligen Finanzierung des Vereins für Konsumentenschutz (VKI) von 4,75 Millionen Euro. SPÖ und FPÖ forderten in einem eigenen Antrag eine längerfristige Finanzierung und hielten den Grünen vor, sich von der ÖVP über den Tisch ziehen zu lassen.

Die Oppositions- und Regierungsrollen scheinen also neu verteilt. Die Entscheidung über die Lehrlinge könnte am Mittwoch zur Probe einer türkis-grünen Regierung werden. Zumindest wird sich zeigen, ob die Grünen der ÖVP bei einem ihrer Herzensthemen – wie SPÖ und FPÖ vorwerfen – vorauseilend "Liebesdienste leisten". (Davina Brunnbauer, 5.12.2019)