Für Emil Steixner geht der Klimaschutz vor.

Foto: Christian Fischer

Natürlich sei er mit seinen 17 Jahren für so eine Entscheidung schon sehr jung. Das Klima zu retten, für eine lebenswerte und nicht irgendeine Zukunft einzutreten, das heiße aber auch, zu verzichten – und das sei keine Frage des Alters. Für Emil Steixner ist das – neben dem Entschluss, ausschließlich mit dem Zug statt dem Flugzeug zu verreisen – vor allem die Überzeugung, keine Kinder in die Welt zu setzen.

Steixner ist groß, schlaksig und Vegetarier. Der Wiener kauft Second-Hand-Klamotten und engagiert sich bei Fridays for Future für das Klima, neben der Schule dreht er Videos für die Organisation. Er ist überzeugt, dass ein kinderloses Leben ein Beitrag für den Umweltschutz ist. "Was an mir klimaschädigend ist, wäre es auch an meinem Kind", sagt Steixner. "Ich muss nicht noch einen weiteren Menschen in diese Welt setzen. Unser Planet leidet sowieso schon unter der Überbevölkerung."

Welle an Zuspruch

Dem Klima zuliebe auf ein Kind zu verzichten ist keine Seltenheit mehr – und findet international Zuspruch: Bei einer Umfrage der New York Times gaben elf Prozent an, aus diesem Grund keine Kinder zu wollen. Die britische Sängerin Blythe Pepino machte Schlagzeilen, als sie in einem Interview mit der BBC erklärte, dass sie wegen der drohenden Klimakatastrophe ihren Kinderwunsch aufgegeben habe.

Die Welle an Zuspruch, die sie dafür erhielt, führte zur Gründung der Bewegung "Birthstrike", also Gebärstreik. Unter dem Hashtag #Birthstrike erklärten daraufhin (überwiegend) Frauen und Männer, dass sie die Elternschaft nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten.

"Es wäre traurig für mich, hätte sich meine Mutter entschieden, nach meinen zwei Schwestern kein Kind mehr zu bekommen", sagt der Jüngste der Familie. "Es hätte jedoch meinen CO2-Ausstoß eingespart. Der ist mir zu verbuchen, aber basiert auf ihrer Entscheidung."

Sich in der Familienplanung einschränken, das wollen etwa auch die britischen Royals: Harry und Meghan erklärten kürzlich, dass nach zwei Kindern Schluss sein werde – dem Klimaschutz zuliebe.

Unzumutbare Bedingungen

Begründet wird die Entscheidung von Birthstrikern im Wesentlichen auf zwei Ebenen. Die einen wollen, so wie Steixner, keine Kinder, weil dies gegenüber der Umwelt nicht vertretbar sei. Andere sagen, der Klimawandel sei so bedrohlich, dass sie keine Kinder in die Welt setzen möchten.

Zu ihnen gehört die 27-jährige Pia Gärtner: "Ich will das keinem Menschen antun." Auch Gärtner achtet auf ihren ökologischen Fußabdruck. Sie ist Veganerin, kauft getragenes Gewand, verzichtet aufs Auto und fliegt so wenig wie möglich.

Schon jetzt mache sich die Journalistin Sorgen um ihre Zukunft. "Mein Großvater ist jetzt 100, wie wird die Welt sein, wenn ich 100 bin?" Für die nächste Generation würden die Auswirkungen des Klimawandels noch spürbarer.

Krisen wie Wasserknappheit, Dürre, aber auch Hochwasser würden sich "weiter verschärfen", ist Gärtner überzeugt. "Ich setze mich viel mit den Emotionen auseinander, die bei jungen Menschen mit der Klimakrise einhergehen". Die Zukunftssorgen führten mitunter zu Depression und Traurigkeit, die sie keinem Kind zumuten will.

Diese Art von Zukunftsangst ist nicht neu. Schon in den 1980ern gab es eine ähnliche Bewegung, angetrieben von der Angst vor dem Atomtod. "Es ist verständlich und gut, angesichts des Klimawandels die Dringlichkeit der Situation aufs Tapet zu bringen", sagt Susanne Schultz, die an der Goethe-Uni in Frankfurt zu Natur und Gesellschaft forscht.

Die Frage sei aber, mit welchen Zukunftsvorstellungen man arbeite. "Wenn sich die Diskussion nur mit statistischen Größen und Zahlen beschäftigt, kommen wir schnell zu einem Denken, das die Bevölkerung als Variable in bestimmte Szenarien einberechnet." Kinder werden dann zu umweltzerstörenden Faktoren. Ein Kind könne jedoch auch positiv gedacht werden, so Schultz: als jemand, der oder die einen Beitrag zum Umweltschutz leistet.

Heikle Vorstellungen zur Bevölkerungspolitik

Rückenwind erhalten Birthstriker von Forschern der Universität Lund und der University of British Columbia, die errechnet haben wollen, dass jedes Kind weniger 24 bis 118 Tonnen an CO2-Äquivalent-Ausstoß im Jahr einsparen würde – je nach Alter und Lebensumständen. Der Verzicht auf ein Auto reduziere nur eine bis fünf Tonnen.

Dass Menschen und ihr CO2-Ausstoß gegeneinander aufgerechnet werden, bereitet Schultz Unbehagen: "Menschen werden zur Variablen, zum Problem gemacht als Bedrohung gesehen." Vielmehr solle man die entscheidenden Ansätze in den Fokus nehmen: soziale Ungleichheit, ungleiche Verteilung von Ressourcen und auf unendliches Wachstum ausgerichteten Produktionsverhältnisse.

Auch für Gärtner hat die Argumentation, dass Kinder als Klimabelastung gerechnet werden, einen "ganz komischen Spin". "Ich habe eine Nichte und einen Neffen, ich bin wahnsinnig gerne Tante." Für sie seien Kinder trotzdem kein Thema. Erst habe der richtige Partner gefehlt, jetzt, wo der da ist, sei die Sorge zu groß.

Problematisch findet Schulz, dass die Jungen der Birthstrike-Bewegung von manchen Organisationen mit heiklen Vorstellungen zur Bevölkerungspolitik in den Dienst genommen würden – wie etwa die britische "Population Matters", die behauptet, dass Probleme der Klimakrise leichter mit weniger Menschen zu lösen wären, mit immer mehr Menschen jedoch schwierig bis unmöglich.

"Investitionen in Familienplanung im globalen Süden erscheinen dann als klimarettende Strategie", kritisiert sie. (Vanessa Gaigg, Oona Kroisleitner, 9.12.2019)