Was er seinen Kritikern antworte, wird Peter Handke bei der Pressekonferenz in Stockholm gefragt. "Sagen Sie es mir!" kontert der Schriftsteller.

Anders Wiklund

Freitagmittag stellte sich der aus seiner Niemandsbucht bei Paris nach Stockholm angereiste Peter Handke – wie von den Veranstaltern vorgesehen – der mit Spannung erwarteten Pressekonferenz zum Literaturnobelpreis. Er würde machen, was sich gehöre, hatte Handke vor seiner Reise nach Schweden verlautbart. Was das Zittern im Vorfeld vielerorts eher befeuerte denn minderte.

Würde Handke diesen ersten offiziellen Termin der "Nobelwoche" bei unangenehmen Fragen nach seinen Jugoslawien-Texten oder seiner porserbischen Haltung ebenso sprengen wie ein Interview unter vier Augen, das ihm zu missfallen beginnt? Wie es in den letzten Wochen mehrmals vorgekommen ist?

ORF

Ohne Zorn

Der große Zorn blieb in Stockholm aber aus. Mit teils knappen und auch ausweichenden Antworten sowie viel Mäßigung absolvierte der Autor seinen Auftritt bei doch überschaubarem Andrang. Übrigens an seinem 77. Geburtstag, was bei seinem Eintreten mit einem spontanen Ständchen registriert wurde.

Dennoch wurde Handke in den folgenden 20 Minuten nichts geschenkt. Warum die Debatte über ihn so polarisiere, wird Handke nach ein paar Fragen zum Aufwärmen gefragt. Atemanhalten im Raum. Das sei eine sehr lange Geschichte und dies nicht der Moment dafür, antwortet der Dichter. Als nächstes will jemand wissen, wie er die für die kommenden Tage angekündigten Proteste gegen sich sehe? Was würde er seinen Kritikern antworten? "Sagen Sie es mir!", kontert Handke beinahe etwas verzagt.

Kein Dialog möglich

Als er 2014 in Oslo den Ibsen-Preis erhalten habe, habe es auch Proteste gegeben. Menschen hätten ihn am Weg zur Verleihung als "Faschisten" angeschrien. Da sei er stehen geblieben und hätte mit ihnen sprechen wollen, sie aber nicht mit ihm. Er wisse also nicht, was er tun solle. Es sei kein Dialog möglich. Er hätte gerne zwei Mütter der serbischen und der muslimischen Seite getroffen, die ihre Kinder im Krieg verloren haben, um mit ihnen zu sprechen, sagt er später. Aber auch das habe nicht stattfinden können. Mit den organisierten Protestierenden hingegen wolle er nicht reden.

Ob er immer noch derselben Meinung sei wie in seinen Jugoslawien-Texten, geht die Fragerunde weiter. "Ich hatte nie eine Meinung, ich schreibe keine Meinung, ich hasse Meinungen. Ich mag Literatur", wehrt Handke ab. Ob er die Fakten, dass es ein Massaker in Srebrenica gegeben habe, inzwischen akzeptiere, will dann ein Journalist wissen. "Sie haben viele Fragen, fragen sie weiter, ich mag diese Fragen", wird Handke nun polemisch. Statt einer Antwort verlegt er sich auf das Vorlesen eines der Briefe, die er in den letzten Wochen erhalten habe. Er hätte viele wundervolle Briefe von Lesern bekommen – bis auf einen mit beigelegtem Klopapier und einer Art "Kalligrafie aus Scheiße". Doch so einen ziehe er solchen "leeren und ignoranten" Fragen vor, feuert Handke dem Journalisten entgegen. Seine Menschen seien Leser, nicht jemand, der solche Fragen stelle. Damit schließt der Termin nach 20 Minuten. Handke tritt mit grimmigem Gesicht ab.

Tokarczuk will Hälfte spenden

Vor Handke stellte sich die für das Jahr 2018 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Olga Tokarczuk den Fragen der Journalisten. Sie berichtete, dass sie die Hälfte ihres Preisgeldes von rund 850.000 Euro an eine Institution spenden will, die sie aktuell gründet, um Literatur, Übersetzungen aber auch ökologische Themen in Polen zu fördern. Dass sie ihren Preis der Demokratie gewidmet habe, sei im Land gut angekommen. Die polnische Gesellschaft sei gespalten und Literatur ein Weg, mit Menschen zu kommunizieren, sagte Tokarczuk. Das solle allerdings nicht mit politischem Aktivismus verwechselt werden.

Tokarczuk ist erst die 15. Frau, die den Literaturnobelpreis bekommt. Sie sei sich sicher, dass sie ihn nicht bekommen habe, weil sie eine Frau sei, sondern weil sie gute Bücher schreibe, so die Autorin.

Peter Englund boykottiert

Der Skandal blieb an diesem Nachmittag also aus. Auch von den von vielen erwarteten Protesten war Freitag nichts zu sehen. "Wir wissen nicht, ob hier protestiert werden wird", gaben einige vorsorglich neben der Schwedischen Akademie abgestellte Polizisten vor Beginn des Termins Auskunft. Fehlanzeige auch am Platz Sergels Torg, wo für die kommenden Tage Protestkundgebungen angekündigt sind. Allerdings verkündete der schwedische Schriftsteller Peter Englund am Freitag, dass er der Zeremonie am Dienstag fernbleiben werde. Er hat in den 1990ern vom Balkankrieg berichtet und empfände eine Teilnahme am Festakt daher als "grobe Heuchelei". (Michael Wurmitzer, 6.12.2019)