Woltrons "Gedanken eines Kolumnisten": Der Zweck des Unternehmens war einem dauernden Bedürfnis der "Kronen Zeitung" geschuldet, deren Leserfamilie vor den intellektuellen Umtrieben von Personen zu warnen, die sich der Blattlinie zu beugen außerstande sehen. Dichter und Schriftsteller etwa.

Foto: standard

Wohl aus Höflichkeit, in Gedenken an frühere Verdienste als Industrie-Lenker und Wirtschaftsphilosoph, und auch, weil sich bisher keine besondere Notwendigkeit ergab, blieb das Wirken von DI Dr. Klaus Woltron in der bunten Sonntags-"Krone" außerhalb ihrer Kreise bisher eher unbeachtet. Das hätte so bleiben können, hätte er sich letzten Sonntag, statt einfach seinen Beitrag zur Blattlinie abzuliefern, nicht der tiefschürfenden Seelenzergliederung eines Kolumnisten verschrieben und, wie es der Teufel beziehungsweise der Herausgeber wollte, gleich an der eigenen Seele. Der Zweck des Unternehmens war einem dauernden Bedürfnis der "Kronen Zeitung" geschuldet, deren Leserfamilie vor den intellektuellen Umtrieben von Personen zu warnen, die sich der Blattlinie zu beugen außerstande sehen. Dichter und Schriftsteller etwa.

Der Titel der Veranstaltung lautete Gedanken eines Kolumnisten, wobei das Wort Gedanken rot gedruckt war, um das Gedankliche der folgenden Gedanken von vornherein gegen kritische Gedanken abzuschirmen, etwa, wenn er einleitend seine Geburt als "Krone"-Schreiber als journalistischen Meteoritenschlag darstellt: Plötzlich wurde ich zum Kolumnisten. Zum unberechenbaren obendrein. Ich kratze mich am Kopf und denke darüber nach. Was bedeutet es? Und was verändert sich?

Jeder beantwortet sich die drei berühmten Fragen "Woher komme ich?", "Wohin gehe ich?" und "Was ist überhaupt los mit mir?" auf seine Art, man muss sich auch nicht am Kopf kratzen, wenn sich die Unberechenbarkeit als "Krone"-Kolumnist in so braven Grenzen wie bisher hält. Was das betrifft, steht Kolumnist Woltron fest auf den Schultern von Riesen wie Staberl oder Stronach, auch wenn er an die stilistische Brillanz eines Michael Jeannée noch nicht heranreicht, mit Tassilo Wallentin in Sachen Unberechenbarkeit aber durchaus Schritt halten kann. Mehr sollte man bei der Plötzlichkeit seines Kolumnistentums auch nicht erwarten.

Berechenbar erwählte er sich als Reibebaum des Blattes und Zündstoff für seine Gedanken –nie sollte man’s erahnen – Elfriede Jelinek, die vor siebzehn Jahren zum täglichen Boulevardstück meinte: "Die Massen lesen die ,Kronen Zeitung‘, das heißt, sie hören sich selber beim Denken zu, ohne zu ahnen, dass man ihnen nur gibt, was sie immer schon gedacht haben . . . So wird der Prozess des Denkens unterbrochen, ehe er noch beginnen kann."

An diesem Befund hat sich seither nichts geändert, aber dadurch veranlasst, berichte ich – Woltron –, was in der Seele eines Kolumnisten vorgeht, der seine Meinung in einem Medium wiedergibt, in dem an einem einzigen Sonntag mehr Menschen lesen als jemals in Frau Jelineks Werken. Diesem eines Wirtschaftsphilosophen unwürdigen Totschlagargument könnte man leicht entgegenhalten, dass Frau Jelinks Werke noch gelesen werden, wenn besagte Gedanken eines Kolumnisten längst verweht sind. Aber wozu, es zahlt sich nicht aus.

Ich bin ein unberechenbarer Kolumnist, was das Auftauchen an der gewohnten Stelle anlangt. Das unterscheidet mich beispielsweise von der Robbe, die immer wieder pünktlich in ihrem Eisloch erscheint. Der Vergleich hinkt schwer. Die Robbe kann nicht anders, sie ist auf das Luftholen angewiesen, aber niemand zwingt einen, aus eingebildeter Unberechenbarkeit auf seine älteren Tage Kolumnist der "Krone" zu werden, um dort doch nur gleich Berechenbares wie im Hauptblatt von sich zu geben.

Wie zum Beispiel: Kolumnistinnen lassen mit Vorliebe Tonnen von Asche auf die verachtenswerte Männerwelt herunterregnen. Der linke oder grüne Kolumnist vermutet hinter jeder Ecke einen verkappten Nazi samt Liederbuch im Rucksack. Intellektuelle, gemäß Selbstgefühl mit ungeheuer durchdringendem Verstand ausgestattet, wälzen ihre Themen so lange in der scharfen Säure ihrer Geisteskraft, bis nur noch eine nebulöse Suppe aus Buchstaben übrig bleibt. Da wäre alles beisammen, wogegen die "Krone" schon immer aufmarschiert ist. Dass der weit rechts Stehende allerorten den wiederauferstandenen Geist Lenins und Trotzkis wittert, ist da nur noch eine Draufgabe, weil’s nichts kostet und unberechenbar erscheinen soll.

Aber er hat’s ja nicht nötig. Wie herzerfrischend ist das freie Kolumnistenleben! Es entschädigt mich für viele frühere Knechtschaft und Entbehrungen. Dichand als Erlöser? Nur nicht wieder Asterix mit Obelix verwechseln! (Günter Traxler, 8.12.2019)