Ein Tiefsee-Oktopus mit warziger Haut.
Foto: ROV Jason

Vom äußeren Anschein sollte man sich nicht täuschen lassen: So fasst die Meeresbiologin Janet Voight vom Field Museum in Chicago ihre Erkenntnisse zum Tiefsee-Oktopus zusammen. Dessen Aussehen variiert nämlich so stark, dass man glauben könnte, es mit verschiedenen Spezies zu tun zu haben – und doch ist es immer nur dieselbe.

Voight zieht einen Vergleich zum besten Freund des Menschen: Immerhin besteht auch zwischen einem Chihuahua und einer Dänischen Dogge ein beträchtlicher optischer Unterschied, obwohl es sich um dieselbe Spezies handelt. Woran nebenbei bemerkt ohnehin nur dem Menschen Zweifel kommen können: 2013 testeten französische Forscher, ob sich Hunde vom mitunter extrem abweichenden Aussehen ihrer Artgenossen verwirren lassen. Mit eindeutigem Ergebnis – selbst auf Bildern erkennen Hunde andere Hunde stets als das, was sie sind; egal, wie ungewöhnlich die jeweilige Züchtung auch aussehen mag.

Der langsamste Brüter der Welt

Aber zurück zum Tiefsee-Oktopus: Der ist seiner lateinischen Bezeichnung Graneledone boreopacifica zum Trotz auch im Nordatlantik zuhause und vor allem für seinen extremen Fortpflanzungszyklus bekannt. Diese Kraken leben nämlich nicht nur länger als ihre Verwandtschaft, sie lassen sich auch mit dem Nachwuchs Zeit. Einmal wurde ein Weibchen beobachtet, das sagenhafte viereinhalb Jahre über seinen Eiern brütete, bis die Babys endlich schlüpften. Selbst die notorisch langen Tragezeiten von Elefanten und Bartenwalen stellt der kleine Kopffüßer damit weit in den Schatten.

Ein Exemplar mit glatter Haut, gefunden in 1.500 Metern Tiefe.
Foto: Ocean Networks Canada/ CSSF-ROPOS

"Klein" bedeutet eine Mantellänge von 9 bis 14,5 Zentimetern, das variiert ebenso wie die Zahl der Saugnäpfe an den Fangarmen. Und die Haut des Kraken bietet noch mehr Abwechslung: Der Tiefseeoktopus kann zum einen die Farbe wechseln, um sich seiner Umgebung anzupassen. Zum anderen weist diese Haut bei manchen Exemplaren ganze Cluster von Warzen auf, während sie bei anderen glatt ist. Anders als die Farbe ist die Zahl der Warzen aber konstant, hierin unterscheiden sich einzelne Individuen.

Voight hat versucht, die Ursachen für diese Unterschiede zu ergründen und dafür insgesamt 50 Tiefsee-Oktopusse miteinander verglichen. Diese stammten aus verschiedenen Regionen der nordamerikanischen Pazifikküste und aus Tiefen von 1.100 bis über 2.700 Metern. Teilweise hat Voights Team diese selbst auf einem Tauchgang aufgesammelt, teilweise von Institutionen wie der University of Miami oder der California Academy of Sciences ausgeliehen.

Ein besonders warzenübersätes Exemplar aus den Beständen des Field Museum.
Foto: Field Museum, John Weinstein

Eine mögliche Erklärung für die optischen Unterschiede hat der Vergleich nur bedingt ergeben, aber auf jeden Fall ein Muster: Je tiefer die Kraken leben, desto kleiner und warziger sind sie. Was die Größe betrifft, liegt der Zusammenhang für Voight damit auf der Hand: In tieferen Meeresregionen ist das Nahrungsangebot geringer, weshalb auch die Kraken kleiner bleiben. Diese legen dann entsprechend kleinere Eier, womit den Krakenembryonen auch weniger Ressourcen für ihre körperliche Entwicklung zur Verfügung stehen. Und das führe letztlich dazu, dass sie weniger Saugnäpfe ausbilden können als ihre besser versorgten Artgenossen in höheren Lagen.

Zwei von drei Faktoren wären damit geklärt. Warum die Kraken aus der Tiefe warzenübersät sind und die weiter oben lebenden glatte Haut haben, bleibt vorerst allerdings ein Rätsel. (jdo, 16. 12. 2019)