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Tulsi Gabbard verkündete im Februar ihr Antreten um die US-Präsidentschaft.

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Im Internet ist Tulsi Gabbard ein Star. Unter Berichten zur demokratischen Präsidentschaftsanwärterin in den USA füllen sich die Kommentarbereiche schnell. In sozialen Medien hat sie viele Fans, auffällig oft taucht Lob auch auf rechten Websites auf. Ihre Wahlveranstaltungen sind hingegen oft nur spärlich besucht. In Umfragen unter Demokraten können sich nur zwei bis drei Prozent vorstellen, bei den Vorwahlen für sie zu stimmen. Sogar ob sie an der nächsten TV-Debatte am 19. Dezember teilnehmen kann, gilt als unsicher. Viel virtuelles Lob, wenig echte Zustimmung – wie kann das sein?

Gewundert hat sich auch Hillary Clinton. Die gescheiterte Präsidentschaftskandidatin von 2016 hat Ende Oktober einen üblen Verdacht formuliert: "Eine Kandidatin" im aktuellen Bewerberfeld, sagte sie auf Gabbard gemünzt, werde von Moskau via Cyberkampagne aufgebaut. Ziel sei es, sie 2020 als Unabhängige antreten zu lassen – damit den Demokraten Stimmen fehlen und Trump gewinnt.

Lob von Trollen, Bannon und KKK

Gabbard hat diese Spekulationen empört zurückgewiesen, Clinton in Revanche "Königin der Kriegshetzer" genannt – und damit erst recht eine Formulierung gewählt, die russische Internet-Trolle schon im Wahlkampf 2016 oft genützt haben. Das macht misstrauisch. Trotzdem: Beweise dafür, dass die Kandidatin bewusst im Sinne des Kreml argumentiert oder gar mit diesem zusammenarbeitet, gibt es nicht.

Aber: Ihre scharfe Opposition zu militärischen Interventionen hat der 38-jährigen Hawaiianerin, die seit 2013 im Repräsentantenhaus sitzt, die Unterstützung einiger linker, vor allem aber vieler weit rechter Gruppen und Persönlichkeiten eingebracht. Zu Letzteren zählen der Ex-Trump-Stratege und offene Nationalist Steve Bannon, der frühere Chef des Ku-Klux-Klan David Duke und der Alt-Right-Anführer Richard Spencer. Sie finden gut, dass mit Gabbard das weltweite Drängen der USA auf Demokratie und Menschenrechte auch bei den Demokraten ein Ende hätte. Und dass sie durchaus für Härte ist, wenn keine US-Soldaten gefährdet sind: Drohnenschläge im Terrorkrieg und Strenge gegen Migranten heißt sie ausdrücklich gut.

Zumindest die Unterstützung Dukes hat Gabbard eindeutig zurückgewiesen. Das ist deshalb bemerkenswert, weil sie bei der Kür ihrer Diskussionspartnerinnen und -partner sonst wenig wählerisch ist. Von Bannon ließ sie sich 2016 zu einem Gespräch mit dem frisch gewählten Donald Trump einladen. Danach bezeichnete sie die Unterhaltung als "ermutigend". Bei Fox News tritt und trat sie regelmäßig auf, um die Außenpolitik ihrer eigenen Partei zu verteufeln. Früher zählte dazu auch, den damals amtierenden Präsidenten Barack Obama zu mehr Härte gegen radikalen Islamismus zu ermahnen, den sie "radikalen Islam" nennt. Und jüngst war sie auch bei der rechten Webplattform Breitbart zu Gast.

Kontroverses Treffen mit Assad

Vor allem aber hat Gabbard Anfang 2017 ein kontroverses Treffen absolviert, das ihr Konkurrenten nun vorhalten: Sie war damals bei Syriens Präsident Bashar al-Assad zu Gast und sprach sich dort gegen die Außenpolitik der USA aus. Ägyptens autoritären Präsidenten Abdelfattah al-Sisi hat sie schon 2015 getroffen und dabei wegen seines Einsatzes "für Stabilität" gelobt.

Ganz besonders ist es aber ein anderer "starker Führer", dem Gabbards Interesse gilt: Indiens Premier Narendra Modi. Ihm ist sie schon mehrfach begegnet. Von einer Vorfeldorganisation der Modi-Partei BJP, der hindunationalistischen und islamfeindlichen Gruppe RSS, hat sie sich gar auf einer Tour durch Indien führen lassen. Das hat auch persönliche Gründe: Gabbard ist die erste Gläubige des Hinduismus im US-Kongress – jedenfalls in ihrer eigenen Sicht. Denn eigentlich wird die hawaiianische Sekte The Science of Identity Foundation, in die sie hineingeboren wurde, von vielen Hindus nicht als hinduistisch gesehen. Von der Annäherung "seiner Abgeordneten" an Modi, heißt es, erhoffe sich der Religionsgründer Chris Butler ein besseres Standing.

Wie sehr sich Gabbard in ihren politischen Ansichten von Butler leiten lässt, ist unklar. Frühere erzkonservative Positionen, die sich mit seinen deckten, hat sie abgeschüttelt. Ihre rabiat vorgetragene Gegnerschaft zur Ehe für alle, ein Votum gegen die Pille danach im Fall von Vergewaltigungen und gegen ein Gesetz, das Mobbing von schwulen und lesbischen Kindern und Jugendlichen in Schulen verhindern sollte – das alles, sagt Gabbard, habe sie hinter sich gelassen. Ihre Armeestationierung in Staaten, die sich in das Privatleben einmischten (Irak 2004, Kuwait 2008–2009), habe sie gelehrt, dass man persönliche Präferenzen nicht anderen via Gesetz vorschreiben dürfe. Gegner sehen Opportunismus – nicht zufällig habe sie ausgerechnet im Kongresswahlkampf 2012 ihre Meinung geändert.

Ein Witz bleibt im Hals stecken

Beständig ist Gabbard bei einem Thema: Für die Umwelt hat sich die passionierte Surferin schon immer engagiert. Mittlerweile geben ihr liberale Vorfeldorganisationen, die Abgeordnete nach Stimmverhalten bewerten, Topnoten. Dem Standing in der Partei hat das kaum genützt: Noch immer hat sie die höchsten Ablehnungsraten unter allen, die um die demokratische Präsidentschaftskandidatur werben.

Das sorgt in den USA für einigen Hohn. Wer denn der "glücksspielfeindliche, drogenfreundliche Anhänger der Trump’schen Diplomatie sein soll", der sich für die umweltbewegte Migrantengegnerin Gabbard erwärmen könnte, wollte das liberale New York-Magazin jüngst wissen – wohl in der Erwartung, dass es einen solchen nicht gibt.

Eine Einschätzung, die sich noch als falsch erweisen könnte. Denn während dieser Typ bei den Demokraten in der Tat schwer anzutreffen ist, gibt es ihn anderswo oft. Gabbards Anhänger, so die Umfrageplattform fivethirtyeight.com, sind in großer Mehrheit männlich, oft konservativ – und sehr häufig Republikaner. Von deren Idealtyp trennen sie eigentlich nur die Parteimitgliedschaft und ihr Ökobewusstsein. Makel, so fürchten manche Demokraten hinter vorgehaltener Hand, über die Donald Trump hinwegsehen könnte, wenn er im kommenden Jahr darüber entscheidet, mit wem er in die Wahl 2020 ziehen will. (Manuel Escher, 8.12.2019)