Das Duo Esken/Walter-Borjans wurde erst in einer Mitgliederbefragung zur Parteispitze gewählt und jetzt am Parteitag als solche bestätigt.

Foto: APA/AFP/ODD ANDERSEN

Berlin – Die linke Bundestagsabgeordnete Saskia Esken und der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans sind neue Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten. Der SPD-Parteitag wählte die beiden Kritiker der Großen Koalition am Freitag in Berlin und bestätigte damit das Ergebnis des Mitgliederentscheids.

Die 58-jährige Esken erhielt 75,9 Prozent, der 67 Jahre alte Walter-Borjans 89,2 Prozent der Stimmen. Damit wird die SPD erstmals in der Nachkriegszeit von einer Doppelspitze angeführt. Dafür hatte der Parteitag zuvor eigens die Satzung geändert.

Neu ist in der SPD ist auch die Anzahl der stellvertretenden Parteivorsitzenden. Walter-Borjans schlug am Parteitag vor die Zahl auf fünf Personen zu erhöhen und brachte auch gleich die Namen Klara Geywitz, Anke Rehlinger (Landesvorsitzende Saarland), Kevin Kühnert (Jusos-Chef), Hubertus Heil (Arbeitsminister) und Serpil Midyatli (Landesvorsitzende Schleswig-Holstein) ins Spiel. Die Delegierten müssen über diese Neuerung noch abstimmen.

Neue Parteiführung ist GroKo skeptisch

Das Duo Walter-Borjans/Esken hatte die Stichwahl beim Mitgliederentscheid gegen die brandenburgische Politikerin Klara Geywitz und Finanzminister Olaf Scholz für sich entschieden. Esken und Walter-Borjans wollen ihre Partei auf einen klaren Linkskurs führen und dafür notfalls die Regierungskoalition mit den Christdemokraten mittelfristig verlassen, wie sie in ihren Bewerbungsreden deutlich machten. Am Parteitag kündigten sie an, dass sie die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich schließen und mehr Klimaschutz durchsetzen wollen. Beide zweifelten daran, ob das mit der CDU/CSU in der Großen Koalition möglich ist.

"Ich war und ich bin skeptisch, was die Zukunft dieser Großen Koalition angeht", sagte Esken. "Viel zu lange war die SPD in den letzten Jahren in ihrer eigenen Denke mehr Große Koalition als eigenständige Kraft." Die SPD gebe der Großen Koalition eine "realistische Chance auf eine Fortsetzung" – "nicht mehr, aber auch nicht weniger".

Walter-Borjans sagte zur GroKo, die SPD müsse "zu Kompromissen bereit sein, aber sie müssen vertretbar sein und sie dürfen nicht verwischen, wofür wir stehen". Beim Thema Klimaschutz etwa müsse die SPD "immer wieder nachlegen". Den jungen Klimaschutzaktivisten könne nicht gesagt werden, "wir müssen die Rettung der Zukunft ein bisschen verschieben".

Klarer Linkskurs

Was heute oftmals als links bezeichnet werde, sei "eigentlich nur richtig sozialdemokratisch", sagte Walter-Borjans in seiner Bewerbungsrede. Wenn es links sei, "dass wir das Auseinanderdriften der Gesellschaft nicht akzeptieren", dann habe er mit dieser Bezeichnung kein Problem. Die Vermögensungleichheit in Deutschland sei eine der höchsten in der EU und auch die Einkommensungleichheit nehme zu. In Deutschland gebe es eine Umverteilung "von unten nach oben", sagte Walter-Borjans. Die SPD müsse "wieder die Partei der Verteilungsgerechtigkeit" werden.

Zugleich wandte sich Walter-Borjans gegen ein prinzipielles Festhalten an der schwarzen Null. Die SPD wolle "unseren Kindern ein Land mit sauberer Luft", attraktiven Arbeitsplätzen und vor allem einer "hervorragenden Bildung" hinterlassen, sagte er. Den kommenden Generationen nutze es wenig, "wenn wir ihnen eine niedrige Schuldenquote hinterlassen", aber die "Umwelt vergiftet" und die Infrastruktur marode" sei.

Kritik übte Walter-Borjans auch an CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Diese wolle die Bundeswehr an "möglichst vielen Orten" der Welt im Einsatz sehen – das sei "grundfalsch". Für eine "Militarisierung der Außenpolitik" sei die SPD nicht zu haben. Kramp-Karrenbauer gratulierte dem Duo Esken/Walter-Borjans trotzdem auf Twitter zur neuen Position. "Auf gute Zusammenarbeit. Es gibt viel zu tun. Dafür braucht es das klare Bekenntnis zum gemeinsamen Auftrag. Wir sind dazu bereit", schrieb sie.

Gratulation kam am Freitag auch von der österreichischen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. "Ich wünsche Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans alles Gute und viel Erfolg für die kommenden Aufgaben an der Spitze der SPD." (APA, 6.12.2019)