Beschäftigte haben zuletzt mehr Steuern an den Staat abgeführt.

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Italien gilt nicht gerade als paradiesischer Standort für Unternehmen. Langfristig zu planen gilt als schwer, weil die wankelmütige Politik wirtschaftliche Unsicherheit auslöst. Dazu kommt eine im europäischen Vergleich ineffiziente Verwaltung, die finanziert werden muss. Traditionell weisen nur Frankreich, Belgien und manche Wohlfahrtsstaaten im Norden Europas höhere Abgabenquoten als Italien auf. Heuer hat auch Österreich seinen großen Nachbarn im Süden überholt.

Die jüngsten Zahlen der Industriestaatenorganisation OECD weisen eine heimische Abgabenquote von 42,2 Prozent aus – Platz sechs im internationalen Ranking, unmittelbar über Italien mit 41,2 Prozent. Spitzenreiter ist weiterhin Frankreich mit 46,1 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr ist diese in Österreich damit um 0,4 Prozentpunkte gestiegen.

Damit geht der Trend in die entgegengesetzte Richtung, als von der damaligen türkis-blauen Regierung vorgegeben. Diese wollte den Anteil der Steuereinnahmen an der Wirtschaftsleistung in die Nähe von 40 Prozent drücken. Nur: Die geplante Steuerreform wurde nur teilweise umgesetzt, bevor die Koalition platzte. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs – und dank höherer Beschäftigung und Gewinne auch die Abgabenquote.

Mehr als nur eine Zahl

Obwohl die Abgabenquote bei Medien und Politikern beliebt ist, weil sie die vermeintliche Abgabenlast auf eine einzige Ziffer herunterbricht, raten Ökonomen, sie vorsichtig zu interpretieren. Die Gleichung, wonach eine hohe Abgabenlast gleichbedeutend mit einem unattraktiven Standort sei, geht demnach nicht auf.

Zwar weist mit den Vereinigten Staaten gerade die größte Volkswirtschaft der Welt eine der geringsten Abgabenquote auf. Weil die republikanische US-Regierung um Donald Trump zuletzt Steuererleichterungen für Einkommen und Unternehmen durchgesetzt hat, gingen die Steuereinnahmen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung um 2,5 Prozentpunkte auf 24,3 Prozent zurück.

Nur für Irland, Chile und Mexiko weist die OECD niedrigere Werte aus. Allerdings dürfte die niedrige Steuerlast in den USA eher die politischen Präferenzen der Amerikaner widerspiegeln als die Effizienz des Systems, meinen Experten. "Die Abgabenquote zeigt, welches Gewicht der Sektor Staat in einem Land hat", sagt Benjamin Bittschi, Ökonom am Institut für Höhere Studien (IHS). Je mehr Leistungen der Staat erbringt, umso größer der Finanzierungsbedarf.

Politische Präferenzen

Die OECD-Statistik spiegelt dies wider. So liegen etwa die Abgabenquoten aller skandinavischen Wohlfahrtsstaaten im Spitzenfeld, die wirtschaftsliberaler Ökonomien wie Irland, der USA und der Schweiz gehören hingegen zu den niedrigsten im Ländervergleich. "Ob ein Staat ineffizient ist, lässt sich von anderen Indikatoren besser ablesen", erklärt Bittschi. Als Beispiele nennt er ausländische Direktinvestitionen und Korruptionsindizes.

"Die Quote allein sagt gar nichts", mahnt auch Ökonom Mario Holzner vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW): "Den Einnahmen des Staates stehen ja auch Leistungen gegenüber." So rühme sich die Schweiz mit einer niedrigen Abgabenquote, während sie aber auf ein privates Pensionssystem setzt. Auch weniger entwickelte Volkswirtschaften schöpfen in der Regel einen geringeren Teil des BIPs als Steuern ab. Dem stehen jedoch weniger Staatsleistungen gegenüber als etwa in Österreich.

Geringe Vermögenssteuer

Die OECD schlüsselt im jüngsten Bericht auch auf, wie sich die Steuereinnahmen der einzelnen Länder zusammensetzen. Den Bärenanteil machten in Österreich 2017 demnach Sozialversicherungsabgaben aus. Die Einnahmen aus Vermögenssteuern hingegen machen nur in Estland, Litauen, Tschechien und der Slowakei einen ähnlich geringen Anteil der Steuereinnahmen aus wie hierzulande. (Aloysius Widmann, 7.12.2019)