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Als Peter Handke hört, man sei Journalist, wird sein Gesicht schlagartig skeptisch. Dabei hatte er bisher sehr gelöst gewirkt. Soeben hat der Dichter in der Schwedischen Akademie in Stockholm seine Rede zum Literaturnobelpreis gehalten. Als der Applaus dafür nicht und nicht aufhören will, auch nachdem Handke bereits von der Bühne gestiegen ist, erhebt er sich also noch einmal von seinem Sessel, um den Beifall zu beschwichtigen. Er wirkt ergriffen. Als der Applaus schließlich abebbt, bilden sich sofort Menschentrauben um den Dichter. Er schüttelt Hände, lacht, redet, und wo Worte nicht reichen, tätschelt er Wangen.

Man macht sich also auf zu ihm. Aber nein, er will kein Interview über seine Rede geben. Wieso soll er sie interpretieren? Nein, sie sei auch keine Reaktion auf die Debatten der vergangenen Wochen, man solle den Abend nicht "hinunterziehen". Er sagt das aber nicht zornig, sondern eher irritiert. Seine Stimme ist sanft, und sein weißes Hemd überziehen gelbe, rote und blaue Muster. Er hat es selbst bestickt. Man wechselt noch andere Worte mit ihm, und zum freundlichen Abschied schüttelt er einem die Hand und wünscht alles Gute.

Stockende Diktion

Wenn man in den Wochen seit der Verkündung der Vergabe des Literaturnobelpreises an Handke aber die Diskussionen um und Vorwürfe gegen den Dichter verfolgt hat, konnte man am Samstagabend kaum im etwa 300 Leute fassenden Publikum sitzen und Handkes Worten zuhören, ohne sie auch als Antwort auf diese Ereignisse zu verstehen. In der Tat zitierte er so aktuell apologetisch klingende Passagen wie "Such die Gegenüberstellung" oder "Was man vom Fernsehen kennt, das kennt man nicht" aus seinem fast vierzig Jahre alten dramatischen Gedicht Über die Dörfer. Doch spricht das dagegen?

Etwa eine halbe Stunde lang dauerte Handkes Rede in der ihm eigentümlich stockenden Diktion. Einmal kommen ihm währenddessen fast die Tränen, und er schiebt zwei im Satz noch ausstehende Worte nach kurzer Stille umso bestimmter nach. So wie er emotional werdend auch zu Provokationen neigt? Zwischendurch schlägt er, er hat Fahrt aufgenommen, mit der Hand den Takt zu seinen Aufrufen zu Friedlichkeit, Schönheit und Freude, bis es scheint, als wollte ein Prophet seine Zuhörer missionieren. Mit hinter dem Rücken gefalteten Händen oder der Hand im Hosensack lockert sich der Ton wieder.

Vom Script gerührt

Hatte Olga Tokarczuk ihre Lecture über die Konkurrenz von Fernsehserien und das Problem der Informationslawine und sozialen Netzwerke zuvor sehr gemessen verlesen, ist Handke von seinem Skript gerührt. Der Auftritt wirkt wie das von Herzen kommende Anliegen, sich für die Nachwelt nach den jüngsten Anwürfen und eigenen Ausbrüchen wieder zu konsolidieren, ohne seine poetologischen Spielregeln aufgeben zu müssen. Kein Mal fallen die Worte Jugoslawien oder Srebrenica, hier und jetzt aber hört der Applaus trotzdem nicht auf. Er klingt fast wie eine Trotzreaktion darauf, wie wenig die seit acht Wochen geführten Debatten dem, was Handkes Schreiben ausmacht, gerecht werden. (Michael Wurmitzer aus Stockholm, 8.12.2019)