Weasel Walter (Zweiter von links) und seine neuaufgestellten The Flying Luttenbachers gastieren am Donnerstag im Fluc am Wiener Praterstern: Wahnsinn als Weg.

Foto: Skin Graft

Vom deutschen Malerstar Daniel Richter stammt der schöne Satz: "Gute Kunst macht einen sensibler, schlechte stumpft einen ab." Multiinstrumentalist Weasel Walter hat so wie diverse andere ins Kraut schießende geistesverwandte Acts, etwa die absolut blöd benamsten Child Abuse, AIDS Wolf oder Gay Beast, auf dem Freak-out-Label Skin Graft Records zwischen den Jahren 1991 und 2007 in ungefähr drei Handvoll verschiedenen Line-ups, auf drei Handvoll Tonträgerveröffentlichungen, unterbrochen von einem Umzug von Chicago nach New York, konsequent für eines gesorgt: Seine The Flying Luttenbachers bewegen sich sehr meinungsstark auf dem schmalen Grat zwischen gut und schlecht.

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Weil die Welt nie genug von verhaltensauffälligen Spinnern bekommen kann, hat sich Weasel Walter 2017 dank des Lockrufs des Goldes in Gestalt einer in Aussicht gestellten Frankreich- und Europatournee wieder dazu aufgerafft, eine neue Band zusammenzustellen. Er tourt derzeit hinter der Schießbude sitzend mit Saxofonist Matt Nelson, Bassist Tim Dahl und Gitarrist Alex Ward, um gleich zwei aus dem heurigen Jahr stammende Doppelalben zu "vermarkten". "Shattered Dimension" und "Imminent Death" beweisen mit Nachdruck, dass das Alter erstens nicht gescheiter und zweitens nicht milder machen muss.

Punk, Jazz, Raserei

Vor allem "Shattered Dimension" zieht dem Hörer ordentlich den Mittelscheitel. Wir hören instrumentale Auszucker von oft tüchtig in die Länge einer Viertelstunde gezogener Dauer. Alter Schmäh, immer noch gut: Der Toleranzbegriff leitet sich bei The Flying Luttenbachers eindeutig vom lateinischen Wort "tolerare" ab. Das bedeutet auf Deutsch "ertragen" oder "erdulden". Zu synkopiertem Rhythmusgeballer und Richtung Schlagzeuger aus der Muppet Show weisenden Anfällen auf den Trommeln hupt sich Matt Nelson um den Verstand. Die Gitarre nudelt dazu von Gevatter James Blood Ulmer bekannte Einwände an der Grenze zur Tonalität.

Manchmal werden Progressive-Rock-Wahnsinnigkeiten (Magma!) oder der elektrische Drogenfunk von Miles Davis aus den frühen 1970er-Jahren von Free-Jazz-Salven beschossen. Alte subkulturelle Stile wie No Wave, Punk und Metal im Zeichen der Raserei haben auch ein Wort oder zwei mitzureden. Punk Jazz nannte sich das früher. Der New Yorker Saxofonist James White und seine Contortions werden zitiert.

Ein Stück auf "Imminent Death" nennt sich programmatisch "White Wine and White Lines". Geschwindigkeitsrekord ist auch ohne körperliches Training möglich. Humor und Abusus spielen möglicherweise auch eine Rolle. (Christian Schachinger, 10.12.2019)