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Kim Jong-un, Nordkoreas Machthaber, lässt sich zuletzt von seiner Staatspropaganda wieder öfter mit Waffen fotografieren.

Foto: AP / Ahn Young-joon

Die Zeit der "schönen Briefe" ist vorbei. Stattdessen gab es über das Wochenende wieder deftige Wortspenden, die zwischen Washington und Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang hin und her geschickt wurden. Donald Trump sei ein "alberner alter Mann", äußerte sich der hohe nordkoreanische Offizielle Kim Yong-chol Montagfrüh dazu. Die "Eitelkeiten und Heucheleien" des US-Präsidenten "scheinen unserem Volk abnormal, und wir müssen über jedes einzelne Wort lachen, das er sagt". Ex-Außenminister Ri Su-yong warnte am Montag schlichter vor den "katastrophalen Folgen" einer neuen Konfrontation.

Die neuen Anwürfe sind die heftigsten, aber bei weitem nicht die einzigen, die in den vergangenen Wochen in den USA eingeschlagen haben. Und auch Trump hält sich nicht zurück: Am Wochenende twitterte er, Nordkorea könne "alles verlieren". Schon beim Nato-Gipfel vergangene Woche hatte er indirekt mit Krieg gedroht und Kim Jong-un "Little Rocket Man" genannt – eine Beschimpfung, auf die er seit der Annäherung 2018 verzichtet hatte. Kim Yong-chols Äußerungen sind nun auch eine Antwort auf Trump. Der US-Präsident irre, sein Land habe keineswegs "alles zu verlieren": "Nordkorea ist ein Land, das nichts zu verlieren hat."

Provozieren, bis Trump aufwacht

Die Eskalation, die sich auf der koreanischen Halbinsel ankündigt, bleibt auch nicht allein im Bereich des Verbalen: Am Sonntag hat Nordkorea einen laut Staatspropaganda "sehr wichtigen Test" durchgeführt, bei dem es sich vermutlich um die Erprobung eines neuen Antriebs für Interkontinentalraketen handelte. Das Land hatte zuletzt mehrfach Kurz- und einige Male auch Mittelstreckenraketen getestet. Satellitenbilder zeigen außerdem Bauarbeiten an jenen Teilen der Raketenabschussbasis Sohae, die als Zeichen des Spannungsabbaus vergangenes Jahr in Teilen abgebaut worden war.

Nordkorea, so meinen Experten, wollte mit der Eskalation der Worte und der Aufrüstung auf dem Boden ein Ausrufezeichen setzen. "Pjöngjang macht deutlich: Wir tun das jetzt, bis Trump aufwacht und bemerkt, dass nun ein Deal nötig ist", schreibt der Nordkorea-Fachmann Ankit Panda auf Twitter. Die Äußerungen würden darauf hindeuten, dass Kim zur Erreichung dieses Ziels auch zu drastischeren Maßnahmen bereit sei. Vizeaußenminister Ri Thae-song habe ja schon ein "Weihnachtsgeschenk" angekündigt.

Die Deadline rückt näher

Überraschend ist das Anwachsen der Spannungen keineswegs: Nach dem gescheiterten Gipfel von Hanoi Ende Februar hatte es in den Verhandlungen zwischen den beiden Staaten keine nennenswerten Fortschritte mehr gegeben. Kim hatte vor diesem Hintergrund den USA immerhin bereits im April eine Frist bis Ende des Jahres 2019 gesetzt, innerhalb der es in den Gesprächen Fortschritte geben müsse, wenn man nicht auf den "alten Weg" der Konfrontation zurückgeworfen werden wolle. Damit hat der Machthaber auch sich selbst unter Druck gesetzt – zumal die Fortschritte weiter auf sich warten lassen und die Wirtschaft seines Landes, auch wegen der anhaltenden Sanktionen, vorerst nicht die erhofften Fortschritte macht.

Über das Thema "Denuklearisierung" spreche man nicht einmal mehr, ließ der Chef der nordkoreanischen UN-Delegation, Kim Song, am Wochenende wissen. Geeinigt hatten sich Kim Jong-un und Trump 2018 in Singapur ja auf das Ziel der "Denuklearisierung der nordkoreanischen Halbinsel" – gemeint haben sie damit aber Unterschiedliches: Nordkorea ein Ende der US-Truppen und des nuklearen Schutzschirms im Süden, Washington ein Ende der nuklearen Bedrohung aus dem Norden.

Trump hat Nordkorea mehrfach rote Linien gezeichnet: Solange es keine neuen Tests von Atombomben oder Interkontinentalraketen gebe, würden die USA nicht auf Nordkoreas Provokationen reagieren. Im Umkehrschluss, so die Befürchtung, könnte Kim die eigentlich beschwichtigend gemeinten Äußerungen nun so verstehen: Wer von Trump Konzessionen wolle, müsse vorher Atombomben oder Interkontinentalraketen testen. Als möglich gilt vorerst ein "verdeckter" Raketentest in Form eines "Satellitenstarts". (Manuel Escher, 9.12.2019)