Einer Umfrage nach ist die Ablehnung der Kirche in Österreich in den vergangenen fünf Jahren merklich zurückgegangen.

Foto: imago images/Rolf Kremming

Linz – 48 Prozent der österreichischen Wahlberechtigten halten den Einfluss der katholischen Kirche in Österreich für angemessen, weitere neun Prozent wünschen sich sogar einen stärkeren Einfluss der Kirche. Das geht aus der Dezember-Umfrage des Linzer Market-Instituts für den STANDARD hervor. Nur 29 Prozent glauben, die katholische Kirche habe zu viel Einfluss. Die Ablehnung der Kirche ist in den vergangenen fünf Jahren merklich zurückgegangen, während der Anteil der mit dem kirchlichen Einfluss Zufriedenen leicht zugenommen hat: Bei einer Vergleichsumfrage 2014 hatten noch 40 Prozent der Befragten gesagt, die Kirche habe zu viel Einfluss. Dafür hat die Zahl jener, die sich darüber kein Urteil anmaßen wollen, entsprechend zugenommen, er liegt jetzt bei 13 Prozent.

Allerdings nehmen nur sechs Prozent an, dass die katholische Kirche tatsächlich an Einfluss gewinnen wird – 46 Prozent glauben, dass die Bedeutung der Kirche gleich bleiben wird, 40 Prozent erwarten einen Bedeutungsverlust. Auch hier bietet sich ein Vergleich mit dem Jahr 2014 an: Damals hatten vier Prozent einen Bedeutungsgewinn der Kirche vorhergesagt, 47 Prozent einen Bedeutungsverlust. Jetzt glauben nur noch 40 Prozent an einen Bedeutungsverlust.

Die Religionsgemeinschaft, der der mit Abstand größte Zuwachs an Einfluss in Österreich vorhergesagt wird, ist allerdings der Islam. Diesem wird von 53 Prozent mehr Bedeutung prognostiziert – für Freikirchen lautet der Wert 14 Prozent, für die Buddhistische Religionsgemeinschaft 13 Prozent und für Sekten zwölf Prozent.

Gleichzeitig ist die islamische Glaubensgemeinschaft auch diejenige, der aktuell am ehesten zu viel Einfluss zugeschrieben wird – 51 Prozent der Befragten sehen das so. Es sind besonders Männer und ältere Befragte, die den Einfluss des Islam ablehnen. Stark unterschiedlich ist auch die Einschätzung in den Parteiwählerschaften: 75 Prozent der Freiheitlichen und 61 Prozent der ÖVP-Anhänger sehen den Einfluss der islamischen Religionsgemeinschaft als zu groß an, bei den Wählern der Sozialdemokraten und der Grünen lauten die entsprechenden Werte 35 und 33 Prozent – die Wähler dieser Parteien meinen mehrheitlich, der Einfluss der Muslime in Österreich sei gerade richtig.

Die politische Einschätzung der Religionsgemeinschaften hat allerdings wenig mit der persönlichen Religionserfahrung zu tun, gibt Market-Institutsleiter David Pfarrhofer zu bedenken: "Fast drei Viertel der Befragten sagen uns, dass die katholische Kirche nicht die richtigen Antworten für die Menschen in unserer Zeit habe." 23 Prozent sagen, die Kirche habe gar nicht die richtigen Antworten, weitere 50 Prozent sehen "eher nicht" die richtigen Antworten durch die römische Kirche. In Summe sind das 73 Prozent.

Diese Werte schwanken zwar von Jahr zu Jahr etwas (im Vorjahr lag die Summe bei 70, vor zwei Jahren bei 80 Prozent) – die Grundaussage ist laut Pfarrhofer aber klar: "Ob ein, zwei oder wie heuer drei Prozent sagen, die Kirche hätte 'bestimmt die richtigen Antworten' – unterm Strich bleibt, dass die Seelsorge heute ein Minderheitenprogramm ist." Daran ändere auch nichts, dass 18 Prozent immerhin teilweise wegweisende Aspekte der Kirche sehen.

Nur innerhalb der kleinen Minderheit von zwölf Prozent, die sich in der Kirche engagieren, gehen die meisten Gläubigen davon aus, dass die Kirche richtige Antworten gibt. Umgekehrt erweisen sich die Wähler der Freiheitlichen als besonders kritisch gegenüber den Aussagen der Kirche.

Die engagierten Katholiken sagen auch mit deutlicher Mehrheit von sich, dass sie selbst schon einmal "das Göttliche gespürt" hätten und das Gefühl gehabt hätten, "jetzt ist Gott bei mir". In der Gesamtheit der erwachsenen Staatsbürger bestätigen aber nur 36 Prozent so ein Erlebnis – dies übrigens unabhängig von Alter und Geschlecht der Befragten.

Schließlich ließ der STANDARD noch erheben, was in den Augen der Österreicherinnen und Österreicher eigentlich einen guten Christen ausmacht. Da kommt an erster Stelle, "dass man gut zu anderen Menschen ist", gefolgt von Ehrlichkeit (nicht stehlen und betrügen) und Einsatz für sozial Schwächere. Dass man an den einen Gott glaubt, halten nur 70 Prozent für essenziell am Christlichsein, den Glauben an die Passion Christi hält nur jeder Zweite für ein wesentliches Merkmal der Christen, den sonntäglichen Kirchgang nur jeder Neunte. (Conrad Seidl, 24.12.2019)