Bei der ÖVP liegt die Macht vorwiegend bei Sebastian Kurz. Werner Koglers Grüne können hingegen nur mit Zustimmung des Bundeskongresses in eine Regierung eintreten

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Die Bildung der türkis-grünen Koalition – so sie überhaupt erfolgreich ist – wird langsamer vonstattengehen als von manchen Beobachtern erwartet. Das liegt zum einen daran, dass die Parteien in wichtigen Themenbereichen – wie etwa dem Klimaschutz und der Steuerpolitik – noch keine Einigung erzielt haben und nach wie vor um eine gemeinsame Linie gerungen wird.

Doch selbst wenn es in dieser Woche auf Verhandlerebene zu einem Durchbruch kommt, ist eine Angelobung noch nicht fix. Im Unterschied zur ÖVP, in der alle großen Entscheidungen bei Sebastian Kurz liegen, reicht bei den Grünen die Zustimmung von Parteichef Werner Kogler nicht aus. Gemäß basisdemokratischem Selbstverständnis muss eine Regierungsbeteiligung vom Bundeskongress beschlossen werden. Und der kann nicht von heute auf morgen tagen, besteht er doch aus knapp 300 Delegierten, die an einem Ort zu versammeln sind. Daher muss der Bundeskongress mindestens eine Woche zuvor einberufen werden. Terminlich geeignet sind hierfür nur die Wochenenden, das bedeutet: Der frühestmögliche Zeitpunkt wäre Samstag, der 21. Dezember. Eine Angelobung noch vor Weihnachten erscheint daher kaum realistisch.

Regierungsvertrag muss durch Bundeskongress

Unabhängig vom Zeitpunkt wird sich die grüne Parteispitze gut überlegen müssen, welches Paket sie dem Bundeskongress vorlegt, denn sowohl in inhaltlichen als auch personellen Fragen ist eine Mehrheit unter den Delegierten erforderlich. Laut Parteistatut obliegt dem Bundeskongress die "Beschlussfassung über eine Regierungsbeteiligung zusammen mit der Bestätigung des Regierungsabkommens". Ein Koalitionspakt ohne sichtbar grüne Prägung liefe also Gefahr, am Widerstand der Basis zu scheitern.

Auch die Auswahl der grünen Minister wird sich bei den Delegierten bewähren müssen. Das Statut sieht eine Bestätigung der Liste der Regierungsmitglieder vor. Eine Abstimmung über einzelne Ministerbesetzungen ist, wie der STANDARD erfuhr, nach Lesart der Bundespartei nicht vorgesehen: Es wird wohl das gesamte grüne Ministerpaket auf einmal abgestimmt.

Ein Übergewicht von Männern in diesem Paket ist statutarisch ausgeschlossen, denn "im Kreis der Regierungsmitglieder müssen Frauen zumindest zu 50 Prozent vertreten sein". Sollten die Grünen drei Regierungsposten bekommen, wird Werner Kogler also der einzige Mann darin sein. Bei fünf Posten müssten mindestens drei davon weiblich besetzt sein. (Theo Anders, 10.12. 2019)