Urs Maier, Wolfgang Malik, Astrid Adamek, Thomas Maderbacher, Brigitte Ederer und Moderator Günther Strobl (von re.) diskutierten Herausforderungen durch die Verkehrswende.

Foto: Regine Hendrich

Geschirrspüler, Waschmaschine und Staubsauger: Wenn die größten Energiefresser im Haushalt gleichzeitig laufen, springt schon einmal die Sicherung. Kann passieren, ist meist nicht schlimm. Der Weg zum Sicherungskasten kostet im Finsteren vielleicht eine blaue Zehe. problematischer ist es, wenn ein Verteilernetz plötzlich ausfällt. Aufzüge, Ampeln und Straßenbahnen würden ausfallen, wenn Kraftwerke keinen zusätzlichen Strom ins Netz speisen können.

Genau das könnte während Spitzenzeiten passieren, wenn die Stromversorger die Wende Richtung E-Mobilität im Straßenverkehr verschlafen, warnt Urs Maier vom Thinktank Agora Verkehrswende. Würden sämtliche Pkws auf den Straßen Deutschlands mit Batterie betrieben, käme es zu Blackouts, wenn zu viele E-Mobile gleichzeitig laden.

Studie bescheinigt Machbarkeit der Verkehrswende

Im Rahmen einer vom Standard und dem Forum Versorgungssicherheit veranstalteten Diskussion forderte Maier Investitionen in den Verteilnetzausbau. Eine Studie der Berliner Denkfabrik besagt: Deutschland müsste für die Verkehrswende jährlich rund zwei Milliarden Euro in die Verteilnetze investieren. Das entspricht in etwa dem bisherigen Investitionsbedarf in die Netzinfrastruktur Deutschlands.

Letztes Wort fällt erst

Netzausbau allein sei aber zu wenig. Durch gesteuertes Laden könne man Lastspitzen entschärfen. Technisch sei dies bereits möglich. Aber auch das Verkehrsverhalten müsse sich ändern. Etwa indem der öffentliche Nahverkehr und Car-Sharing-Modelle gefördert werden. Der heutige Verkehr sei mit weniger Autos zu bewerkstelligen, sagte Maier.

Das neben Maier mit Spitzen aus der österreichischen Energie- und Transportwirtschaft besetzte Podium war sich mit dem Wissenschaftler einig, dass der herkömmliche Verbrennungsmotor vor dem Hintergrund der Klimaziele des Pariser Abkommens langfristig keine Zukunft hat. Allerdings konnten nicht alle Granden auf dem Podium den Optimismus Maiers, dass die Verkehrswende Richtung E-Mobilität bis 2050 gelingen wird, teilen.

Ederer: letztes Wort nicht gesprochen

Brigitte Ederer, Vorstandsvorsitzende des Forums Versorgungssicherheit, bezweifelte, dass in der Frage nach dem Antrieb der Zukunft das letzte Wort gesprochen ist. Technologiesprünge seien nicht immer vorhersehbar. Es sei auch möglich, dass sich ein viel effizienterer Verbrennungsmotor durchsetzen wird.

Ederer verwies zudem darauf, dass in der Energiepolitik nicht nur Finanzierbarkeit zählt, sondern auch der politische Wille. "Dass von der Nordsee nach Bayern eine Leitung gebaut wird, erlebe ich nicht mehr – und ich habe eine hohe Lebenserwartung", scherzte sie in Richtung Mobilitätsforscher Maier. Der sogenannte Südostlink von Sachsen-Anhalt nach Bayern soll den Transport von sauberer Windkraft in den deutschen Süden ermöglichen. Das Projekt stieß und stößt auf viel Gegenwehr von Anwohnern und Lokalpolitik. "Das Gesamtkonzept aus Energiewende und Verkehrswende ist auch eine soziale und gesellschaftliche Frage, die berücksichtigen muss, was beispielsweise mit dem ländlichen Raum passiert", so Ederer.

Weiterhin Individualverkehr

Dass die Menschen auch weiterhin nicht aufs eigene Auto verzichten werden, glaubt Astrid Adamek, Tankstellenchefin bei Shell Austria. Sie pflichtete Mobilitätsforscher Maier aber bei, dass E-Mobilität längerfristig die sauberste Lösung für den Straßenverkehr sei. Für Tankstellenbetreiber sei die Mobilitätswende eine Chance, den Wandel im Verkehr selbst mitzugestalten. Dieser würde eher zu einem Kraftstoffmosaik führen als zu rein elektrisch betriebenem Verkehr, vermutet Adamek. Gerade im Flugverkehr gebe es noch keine Alternative zu Kerosin. In der Schifffahrt sei flüssiges Erdgas ein vielversprechender Kraftstoff.

Weniger Kilometer fahren

Kurzfristig führen mehrere Wege zu einer besseren Klimabilanz, nicht nur der Umstieg auf batteriebetriebene Pkws. Wie viel schädliches Gas ein Verbrenner ausscheidet, hängt auch davon ab, wie er genutzt wird. Forscher der TU Wien haben errechnet: Wenn jedes zugelassene Auto in Österreich jährlich um 600 Kilometer weniger fährt, würde Österreich die Klimaziele bis 2050 erreichen.

Wie es auch kommt: Thomas Maderbacher, Geschäftsführer der Wiener Netze, und Wolfgang Mali, Chef der Graz Holding, sind sich sicher, dass die E-Mobilität stark zunehmen wird. Bei Netzbetreibern sehen sie Handlungsbedarf. Zwar könne man die erwartete Hochlaufkurve bis 2030 mit dem bestehenden Netz handeln. Für die Zeit danach brauche es einen guten Plan für den Infrastrukturausbau. (luis, 10.12.2019)