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Erleichterte Blicke bei der Pressekonferenz nach dem Treffen.

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Selenskyj (links) und Putin trafen am Montag erstmals direkt aufeinander – auf Einladung von Macron.

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Merkel ist hingegen schon zum fünften Mal in diesem Format dabei – das letzte Treffen fand 2016 statt.

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Die Länder des sogenannten Normandie-Formats haben sich auf die Umsetzung eines vollständigen Waffenstillstands in der Ostukraine bis Ende 2019 und einen Teilabzug von Truppen geeinigt. Bei einem Treffen der Präsidenten von Russland, der Ukraine, Frankreich und der deutschen Kanzlerin wurde am Montagabend in Paris zudem vereinbart, dass es bis März 2020 zusätzliche politische Fortschritte zur Deeskalation der Lage geben soll. Außerdem soll noch in diesem Monat ein umfangreicher Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine stattfinden, wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mitteilte.

Zentraler Punkt der Deeskalationsmaßnahmen ist nach Angaben von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel, Lokalwahlen in den von russischen Separatisten kontrollierten Gebieten der Ostukraine vorzubereiten. ""Wir haben heute die Zeit des Stillstands überwunden", sagte Merkel nach dem mehrstündigen Treffen des Quartetts in Paris. Sie sei mit dem Treffen "sehr zufrieden". Zudem sollen in drei weiteren Gebieten an der Demarkationslinie die Truppen zurückgezogen werden. Des Weiteren sollen Übergangsstellen geschaffen und der OSZE eine umfassende Kontrolle des Konfliktgebietes ermöglicht werden.

Die prorussischen Separatisten in der Ostukraine haben am Dienstag dann auch ihre Bereitschaft zur Umsetzung der Beschlüsse des Ukraine-Gipfels signalisiert. So könne der vereinbarte Gefangenenaustausch zwischen Kiew und Donezk bis Ende des Jahres durchgezogen werden.

Selenskyj bereits zuvor optimistisch

Schon vor der Einigung in Paris war klar geworden: Beide zentralen Verhandlungspartner wissen sich zu inszenieren und so über die Hardliner in ihren jeweiligen Heimatländern ein Stück weit hinwegzusetzen. Selenskyj hatte schon bei seiner Ankunft auf Symbole für die Medien gesetzt: Im Hof des Elysée-Palastes machte der ukrainische Präsident das Victory-Zeichen, als wäre schon die Abhaltung des Gipfels ein Erfolg. In Kiew hatte er erklärt, er würde sich sogar mit dem "kahlköpfigen Teufel" an einen Tisch setzen, um über Frieden im Osten seines Landes zu verhandeln. Der mit dem Leibhaftigen verglichene Putin, ebenfalls Träger schütteren Haupthaars, lächelte dem 41-Jährigen freundlich zu, als er sich erstmals mit Selenskyj von Angesicht zu Angesicht unterhielt.

ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch berichtet aus Paris über den Ukraine-Gipfel.
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Selenskyj äußerte sich nach dem Treffen trotzdem enttäuscht: "Meine Kollegen sagten mir, dass dies ein sehr gutes Ergebnis für das erste Treffen ist. Aber ehrlich gesagt ist mir das zu wenig", sagte der 41-Jährige. "Ich wollte eine größere Zahl an Problemen lösen." Offen blieb vor allem die Frage, wie die Ukraine wieder vollständig Kontrolle über ihre Grenze gelangen kann, wie es in den Minsker Friedensverträgen von 2015 vorgesehen ist.

Wiederbelebung des Dialogs

Auf eine Einigung beim Treffen hatte eigentlich noch niemand zu hoffen gewagt. Bescheidenes Ziel war es, das seit 2016 eingeschlafene Normandie-Format wiederzubeleben. Dieses Quartett hatte zuvor das Abkommen von Minsk und zumindest einen – schlecht eingehaltenen – Waffenstillstand ermöglicht. Erst als im Anschluss an das Vierertreffen Selenskyj und Putin unter vier Augen zusammenkamen, wurde deutlich, dass es doch auch Punkte der Einigung geben werden könnte.

Putin war durchaus aus einer Position der Stärke nach Paris gereist. Er hatte gar nicht um das Treffen gesucht, sondern sich mehrfach bitten lassen. Und er brachte zum Machtpoker des Normandie-Quartetts wie üblich ein paar Trumpfkarten mit, wie etwa das Ende 2019 auslaufende Gas-Transit-Abkommen durch die Ukraine.

Druck auf Putin

Aber der Kremlchef stand in Paris auch unter starkem Druck. Die Ermordung eines Georgiers in Berlin stimmte Merkel bei der Frage der Wirtschaftssanktionen, die Russlands loswerden will, bestimmt nicht gnädiger. Und selbst Macron, der von einer russisch-europäischen Partnerschaft träumt, hat mit Putin eine neue Rechnung offen: Am Sonntag enthüllte die Zeitung "Le Monde", dass der russische Militärgeheimdienst GRU bei den Hackerangriffen auf den französischen Präsidentschaftskandidaten von 2017 zumindest die Finger im Spiel hatte.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas hatte am Sonntag Putin mit deutlichen Worten aufgefordert, die dargebotene Hand Selenskyjs anzunehmen. Der Ukrainer habe "erste Schritte" getan, um den Konflikt zu lösen. Ein erster Schritt scheint nun getan. In vier Monaten will das Normandie-Format dann erneut zu einem Gipfeltreffen zusammenkommen, um weitere Schritte zu besprechen. (Stefan Brändle aus Paris, Reuters, APA, 9.12.2019)