Das Herz kann auch zu gleichmäßig schlagen, etwa bei Menschen mit Depressionen.

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Ein gesundes Herz schlägt nicht ganz regelmäßig. Die Atmung, hormonelle Reaktionen, Stoffwechselprozesse, Stress, kognitive Vorgänge und andere Einflüsse des autonomen Nervensystems verändern die Intervalle. "Diese sogenannte Herzratenvariabilität (HRV) ist ein Zeichen körperlicher und psychischer Vitalität und Flexibilität. Ist die HRV erniedrigt – schlägt das Herz zu gleichmäßig –, wie etwa bei Menschen mit Depressionen, lässt dies auf eine Störung der Kommunikation zwischen Herz und Gehirn schließen", sagt Andreas Schwerdtfeger, Gesundheitspsychologe an der Universität Graz.

In einer kürzlich im Fachjournal Clinical Neurophysiology erschienenen Publikation hat er mit Kollegen der TU Graz, der Med-Uni Graz sowie der Universität Ulm und der University of California in Irvine den aktuellen Forschungsstand zur HRV zusammengefasst. Die Erkenntnisse erschließen neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten.

Gut vernetzt

Aufgrund der engen Verschaltung mit Strukturen des zentralen Nervensystems kann die HRV Auskunft über die Kommunikation zwischen Herz und Gehirn geben. Anhand klinischer Befunde zeigen die Autoren, dass die Herzratenvariabilität in unterschiedlichen Fällen als Bewertungshilfe in der Highend-Medizin herangezogen werden kann, wie etwa bei intensivtherapiepflichtigen Frühgeborenen, Patienten nach Herztransplantation, Menschen unter künstlicher Beatmung oder beim Hirntod.

"Anhand der HRV lässt sich erkennen, ob und in welchem Ausmaß die Vernetzung zwischen Herz und Hirn gestört ist", heißt es von den beteiligten Medizinern. In diesem Zusammenhang erachten sie bei Komapatienten die "Variabilitätsstarre" und das Monitoring der HRV bei Frühgeborenen als besonders relevant.

Energiebedarf optimieren

In der Publikation werden auch aktuelle bildgebende Befunde der funktionellen Magnetresonanztomografie zur Herz-Hirn-Interaktion sowie zur Identifizierung zentralnervöser Schrittmacher der HRV diskutiert. "Ein Schrittmacher im Gehirn kann nicht nur verschiedene langsame Körperrhythmen wie Blutdruckwellen, Herzrate und Atmung synchronisieren und damit den Energiebedarf optimieren, sondern auch die Herzratenvariabilität steigern", meint Gert Pfurtscheller, emeritierter Professor für medizinische Informatik, der den größten Teil der Magnetresonanz-Daten ausgewertet hat.

Umgekehrt führt eine Erhöhung der HRV auch zu Veränderungen im Gehirn. Schwerdtfeger, der psychologische Zusammenhänge und therapeutische Möglichkeiten im Hinblick auf die HRV untersucht hat, weiß: "Mit Hilfe kontrollierter Atmung kann man die Herzratenvariabilität und damit das körperliche und psychische Wohlbefinden steigern."

Sechs Atemzüge pro Minute, also alle zehn Sekunden ein Zyklus, bewirken eine optimale Sauerstoffaufnahme im Gehirn. "Mit dieser Technik lässt sich nicht nur Angst vermindern, auch die Gehirnfunktionen, etwa in Bezug auf das Arbeitsgedächtnis oder die Reaktionszeit, verbessern sich", so der Psychologe. (red, 11.12.2019)